in China
Reaktion erfolgte, richtete sie sich wieder auf und starrte ratlos auf die Tür. Er rührte sich einfach nicht. Oder er war nicht in seinem Zimmer.
Bei dem Gedanken, daß Peter vielleicht gar nicht da war, lief ihr ein eisiger Schauer den Rücken hinunter. Was für ein wahnwitziger Gedanke. Sie ging zu ihrem Zimmer und nahm den Koffer mit hinein, der vor der Tür stand. Sie sperrte ihn auf und nahm die Zahnbürste und den Schlafanzug heraus. Wahrscheinlich ist er noch nicht müde und geht noch spazieren, dachte sie. Aber er hatte irgendwie sonderbar ausgesehen, als sie ihn am Fenster erspäht hatte. Irgend etwas hatte nicht gestimmt, und das bereitete ihr Kopfzerbrechen. Sie versuchte herauszubekommen, was ihr an ihm so befremdend vorgekommen war. Sie konzentrierte sich eisern und versuchte, diesen Augenblick am Fenster zu rekonstruieren. Er hatte irgend etwas mit seinen Augen gemacht. Da die Lichtquelle im Zimmer hinter ihm lag, war sein Gesicht in Schatten gehüllt, doch seine Augen waren unbedingt verändert, daran bestand kein Zweifel.
Die äußeren Augenwinkel waren leicht nach oben gezogen, wodurch er wie ein Chinese ausgesehen hatte. Sie hatte zwar Peters Schultern und Kopf am Fenster gesehen, doch es war das Gesicht eines Chinesen gewesen.
Eshat also begonnen, dachte sie. Wir befinden uns in Urumchi in der Autonomen Region Sinkiang, und der Anfang ist gemacht... er ist in die Nacht hinausgegangen, um die Gegend zu erkunden, er ist auf der Suche nach dem Arbeitslager.
Sie hätte gern gewußt, wie weit er wohl kommen und wann er zurück sein würde. Ob ihn wohl jemand gesehen hatte? War er angehalten worden? Würden seine Papiere einer
Überprüfung standhalten? Sie hatte Angst um ihn. Doch sie wußte ja, daß das noch tagelang so weitergehen und mit seinem Tode enden würde. Sie mußte unbedingt Ruhe bewahren.
Ich fange besser wieder an, jeden Morgen Joga zu betreiben, dachte sie gepeinigt. Und zwar ganz diszipliniert!
9. Kapitel
Um sieben Uhr früh klopfte Mr. Li an ihre Zimmertür. Die Reiseroute stand jetzt fest. Er gab ihr das schriftlich. Mit den Worten: »Es ist sehr schwierig gewesen, Turfan zuerst. Mr. Kan mußte viele Pläne ändern und ist sehr lange aufgeblieben.«
Ausnahmsweise lachte er einmal nicht übermütig, doch in seiner Miene lag auch nicht der leiseste Vorwurf. Mrs. Pollifax hatte das Gefühl, daß ihr jetzt zum erstenmal der wahre Mr.
Li begegnete. »Das Programm ist jetzt ganz so, wie Sie es gewünscht haben«, erklärte er.
»Kommen Sie doch bitte herein«, forderte sie ihn auf. »Sie können mir alles erklären. Ich mache mir dann eine Kopie und hänge sie in der Hotelhalle auf, wo alle sie sehen können -
genau wie Miß Bai es in Xian gemacht hat.«
»Ausgezeichnet«, sagte er in geschäftsmäßigem Ton und trat an ihren Schreibtisch, wo er seine Papiere ausbreitete. »Wie Sie sehen, besichtigen wir heute viele interessante Dinge in Urumchi - die Jadefabrik, eine Teppichfabrik, ein Museum, einen Basar, ein Kaufhaus und ein Krankenhaus. Morgen früh geht es weiter nach Turfan, wo wir auch übernachten. Im Anschluß daran die Kasachen und das Weideland - mit Picknick und Reiterspielen, und am darauffolgenden Tag der Himmlische See, wunderschön. Dann beginnt die Reise in die Innere Mongolei.«
»Sehr gut«, versicherte sie Mr. Li wärmstens, »wirklich ausgezeichnet. Ich bin Ihnen ja so dankbar, Mr. Li. Ich möchte mich auch bei Mr. Kan bedanken.«
»Ja«, sagte Mr. Li mit einem zufriedenen Blick auf die Reiseroute.
Sobald er wieder gegangen war, vertiefte sich Mrs. Pollifax in das dichtgedrängte Programm und fragte sich besorgt, wie Peter da seine komplizierten Pläne und Arrangements noch einflicken wollte. Am liebsten hätte sie sofort an seine Tür geklopft, um sicher zu sein, daß er wieder zurück war. Sie konnte es kaum erwarten, ihm mitzuteilen, daß sie tatsächlich erst nach Turfan fahren würden und anschließend hinauf zu den Kasachen. Doch statt dessen kopierte sie das Reiseprogramm, das Mr. Li ihr gerade überbracht hatte. Sie ging in die Halle hinaus, um es dort aufzuhängen. Da fiel ihr Blick auf Peter, der in einem Sessel hing und sanft und selig schlief. Ein Stein fiel ihr vom Herzen.
Sie war so erleichtert, daß sie ihm am liebsten einen Kuß gegeben hätte, doch dann ging, sie nur auf Zehenspitzen an ihm vorbei, um ihr Programm für die nächsten Tage aufzuhängen.
Als sie sich wieder umwandte, hatte er die Augen aufgeschlagen. Es waren
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