in China
früh! Und vielen, vielen Dank, George - auf bald!«
George Westrum sah erschrocken auf, zupfte an seiner Baseballmütze herum, blieb
anstandshalber noch ein Weilchen und verschwand dann auch.
Jenny sagte: »Wenn Sie mich bitte entschuldigen«, und folgte den Männern mit dem Gepäck den Gang entlang.
Mrs. Pollifax lehnte sich ans Fischbassin und meinte: »Ich bin so froh, daß Iris ein Geschenk bekommen hat. Wie aufgeregt sie war. Ich fürchte, sie hat noch nicht sehr viel geschenkt bekommen. Zumindest hat das Leben ihr noch nichts geschenkt.«
Malcolm entgegnete ruhig: »Dafür wird sie in Zukunft entschädigt.«
Erschrocken fragte Mrs. Pollifax: »Durch George?«
»Nein, George hat nichts damit zu tun«, erklärte er. Als er ihren prüfenden Blick spürte, fügte er hinzu: »Ich habe doch sicher erwähnt, daß ich zuweilen das zweite Gesicht habe.«
»Nein, das haben Sie mit keinem Wort erwähnt«, widersprach sie. »Sie haben nur etwas von sprechenden Mäusen gesagt.«
»Das ist nicht gleichbedeutend«, lautete sein Kommentar. »Aber manchmal bin ich richtig hellsichtig. Das kommt ganz blitzartig über mich, und oft erkenne ich ganz intuitiv, was den Menschen bevorsteht. Wie stehen Sie übrigens dazu?«
»Ich glaube natürlich daran«, versicherte sie ihm. »Das muß man ja wohl. Einmal habe ich mehrere Tage bei einer rumänischen Zigeunerin - sogar einer Zigeunerkönigin - verbracht, die das zweite Gesicht hatte und die...« Sie unterbrach sich augenblicklich, als sie sich ins Gedächtnis rief, daß harmlose Touristen ihr Leben für gewöhnlich keiner Zigeunerkönigin verdanken, wenn sie von der Polizei durch die Türkei gejagt werden. Etwas lahm fügte sie hinzu: »Aber diese Gabe haben wir doch alle, nur ist sie meistens vom Rationalismus und von Zweifeln überschattet.«
Ihre Verwirrung schien ihn zu amüsieren. »Irgendwann einmal müssen Sie mir mehr über Ihre Freundin, die Zigeunerin, erzählen. Doch jetzt gehe ich wohl besser schlafen. Hallo, Jenny«, sagte er, als sie wieder auftauchte. Jenny gönnte ihm ein freundliches, aber ziemlich geistesabwesendes Lächeln. Sobald Malcolm gegangen war, setzte sie sich neben Mrs.
Pollifax ans Fischbassin. Mit erstickter Stimme murmelte sie: »Ist diese weiße Jade von Iris wirklich ein Geschenk von George?«
»Ja«, sagte Mrs. Pollifax ganz ruhig. »Warum?«
Jenny streckte die Beine aus und starrte wütend auf ihre blauweißen Turnschuhe. »Sie ist die ganze Zeit so verdammt glücklich - und alle, ach, ich hätte diese Reise nie nie machen dürfen«, schrie sie völlig enerviert und brach in Tränen aus.
Ein Angestellter des Hotels, der gerade durch die Halle ging und dem Speisesaal zustrebte, warf Jenny einen neugierigen Blick zu. »Kommen Sie doch mit nach draußen, bis Sie sich wieder besser fühlen«, bat sie Jenny. Sie nahm die junge Frau am Arm und führte sie durch die Glastür vor das Yannan hinaus.
Ihr Kleinbus fuhr gerade ab. Die samtene Dunkelheit wurde nur hier und da von dem Licht durchschnitten, das aus den Zimmern der Hotelgäste drang. Mrs. Pollifax konnte ihr Zimmer anhand der Tasche auf der Fensterbank ausmachen. Sie sah, wie Peter im Nebenzimmer an das Fenster trat und die Vorhänge zuzog. Doch wenn das wirklich Peter war, erschien ihr sein Gesicht irgendwie merkwürdig. Doch sie war nicht ganz bei der Sache. Das fiel ihr nur so nebenbei auf.
»Was haben Sie sich denn von dieser Reise erwartet?« fragte sie Jenny und reichte ihr ein Taschentuch.
»Ich dachte... ich wollte... ich sollte eigentlich...« Sie wurde erneut von Schluchzen geschüttelt. Ein Strom von Tränen ergoß sich über ihre Wangen. »Und es...« Sie drückte Mrs.
Pollifax das Taschentuch wieder in die Hand, wandte sich wütend ab und floh. Mrs. Pollifax sah sie durch die Halle den Gang entlang zu ihrem Zimmer eilen. Sie folgte ihr gemächlich und hörte noch, wie eine Tür zugeschlagen wurde.
Peter könnte sie vielleicht trösten, dachte sie. Peter kannte Jenny schließlich am besten.
Vielleicht konnte sie ihn dazu bringen, daß er einmal mit ihr sprach. Da er noch nicht zu Bett gegangen war - sie hatte ihn ja gerade erst noch am Fenster gesehen - ging sie zu seinem Zimmer und klopfte an die Tür.
Als sich daraufhin nichts rührte, klopfte sie noch einmal, dann legte sie das Ohr an die Tür und lauschte. Sie hörte auch kein Wasser laufen, sie hörte überhaupt nichts. Sie rief leise seinen Namen, damit er wußte, daß sie es war, und als auch darauf keine
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