in China
Meter hoch. Peter ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und erklomm das steil ansteigende Ufer, indem er sich an Baumwurzeln, Felsspalten und Buschwerk festklammerte. Oben angelangt, gestand er sich widerstrebend eine kurze Ruhepause zu. Es erschien ihm sogar ratsam, ein wenig zu schlafen. Er gönnte sich dreißig Minuten und stellte den winzigen Wecker an seiner Armbanduhr entsprechend. Inmitten des felsigen Terrains fand er ein bemoostes Fleckchen. Er ließ sich darauf niedersinken, lehnte sich zurück und fiel. Seine Annahme war falsch gewesen. Der Fels, an den er sich zu lehnen glaubte, existierte gar nicht.
Zwar war zu seiner Rechten und zu seiner Linken Fels, doch er war offensichtlich in eine Mulde in dem Steilhang gestürzt. Er knipste seine Taschenlampe an und bog das Unterholz auseinander, um zu sehen, was darunterlag. Der Strahl der Taschenlampe fiel in eine Höhle von etwa drei mal vier Metern, die knapp zwei Meter hoch sein mochte. Sie war überall mit Wurzeln fest durchflochten. Verwundert stand er auf und richtete den Strahl seiner Taschenlampe nach oben, um festzustellen, was dieses Phänomen bewirkt hatte. Wurzeln, mußte er sich sagen. Vor Jahren mußte ein massiver Baum gefällt worden sein. Dadurch war ein Hohlraum entstanden, über den die Wurzeln ringsum allmählich einen Teppich gewoben hatten, als sie an den Felsen zu beiden Seiten Halt suchten. Und auf diesem von der Natur gesponnenen Netz hatte sich im Laufe der Zeit Erde festgesetzt und Moos. Doch die darunterliegende Höhlung war davon unberührt geblieben. Der Eingang lag geheimnisvoll im Unterholz verborgen, so daß man in der kleinen Höhle ganz geschützt war.
Nun war ihm nicht mehr nach Schlafen zumute. Erregt sah Peter auf seinen Kompaß, kroch in die Höhle, setzte sich hin und blickte sich verwundert um. Drinnen war es warm und trocken. Er zog seine Karte aus der Tasche und nahm sich ein paar Minuten Zeit, um zu errechnen, wo er sich befand. Er markierte die Stelle auf der Karte und grinste zufrieden.
Wenn er sich nicht irrte, lag diese Höhle nur knapp zwei Kilometer von dem Arbeitslager entfernt. Sie war ein idealer Unterschlupf. Hier konnten er und X sich nächste Woche verstecken, während die Polizei die ganze Gegend auf der Suche nach X durchkämmte.
Ideal war gar kein Ausdruck; denn die Höhle lag nur drei Meter von einem rauschenden Fluß entfernt, und Wasser war in so einer Lage das kostbarste Gut. Im Geiste richtete er sich schon in der Höhle ein. Er nahm das Dörrobst aus den Taschen, das eigentlich als nächtliches Mahl für ihn selbst gedacht war. Er deponierte es mitten in der Höhle. Es war wie ein Versprechen.
Da fiel ihm auch die Tafel Schokolade wieder ein, die noch von seinem letzten Streifzug übriggeblieben war. Er legte sie zu dem Obst. Nach einem Blick auf seine Armbanduhr schob er das Unterholz beiseite und verließ die Höhle, überglücklich und voller Tatendrang.
Er folgte dem Flußlauf weiter stromaufwärts. Nach ein paar Minuten gelangte er zu einer Stelle, wo ein zweiter Fluß in den ersten einmündete. Das Wasser rauschte ohrenbetäubend und strömte in Richtung Wasserfall. Aus der Anordnung - die Quellflüsse glichen dem Querbalken eines T, und der zweite Fluß wälzte sich in Richtung Wasserfall und Straße -
schloß er, daß das der Fluß war, an dem das Arbeitslager lag. Diese Annahme bestätigte sich, als er die Taschenlampe kurz auf das brodelnde Wasser richtete und das Licht auf ordentlich aufgeschichtete Holzstöße und gefällte Bäume fiel, die noch entgrätet werden mußten. Er war zu einem Holzfällergelände gelangt. Jetzt mußte er sich überlegen, wie er auf die andere Seite des Flusses kommen konnte, um dort nach dem Lager zu suchen.
Peter fing an, die Gegend gründlicher zu erkunden. Noch achtete er nicht sonderlich auf das tosende Wasser. Ihm ging es vorerst um die Bäume zu beiden Seiten des Flusses. Er knipste die Taschenlampe an und wieder aus, an und wieder aus - wie ein Glühwürmchen. Bald hatte er gefunden, was er suchte: einen starken Baum auf der Seite des Flusses, auf der er sich befand, und mehrere kräftige Bäume am gegenüberliegenden Ufer. Er wickelte sich das Kletterseil vom Leib und verknotete es ganz unten um den Stamm des Baumes, den er für gut befunden hatte. Dann kniete er sich ans Wasser, um sich über die Strömung klarzuwerden.
Tückisch, dachte er, unheilvoll und tückisch. Genau die Strömung, die einen mitreißt und unter Wasser drückt, bevor
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