In dein Herz geschrieben
ihr bleiben, doch man sagte ihm, er solle in den Eingangsbereich zurückgehen, um die Formulare auszufüllen. Als er fertig war, nahmen er und Cassandra im Wartebereich Platz, wo bereits zwei andere Männer saßen und wie gebannt
in den Fernseher blickten, als hätten sie eine nackte Frau vor sich. Hector saß mit gesenktem Kopf und zwischen den Knien gefalteten Händen auf der Stuhlkante. Betete er? Sollte sie mit ihm beten? Vielleicht brauchte er aber auch nur einen Moment, um sich zu fangen. Für den Fall, dass es so war, beschloss sie, einen Kaffee holen zu gehen.
Hector nahm den Styroporbecher entgegen und schloss die Hände darum, als sei ihm kalt. Der arme Kerl, wahrscheinlich war es auch so. In diesen verdammten Krankenhäusern war es immer eiskalt, und er trug nur ein T-Shirt. Sie setzte sich neben ihn und bemerkte die Gänsehaut, die sich bis hinauf zu seinen Oberarmen zog. Bei diesen Armen musste er eine Menge Sport treiben.
Cassandra zwang sich, den Blick davon zu lösen, und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Tüte M & Ms, die sie aus dem Automaten gezogen hatte. Das Rascheln der Tüte klang, als mache sich eine Ratte über eine Keksschachtel her. Verstohlen warf sie ihm einen Blick zu. Er sah noch immer geradeaus und drehte gedankenverloren den Becher hin und her. Gott, wie groß seine Hände waren, und die Sommersprossen darauf erinnerten sie so sehr an ihren Daddy. Es waren die Hände eines Mannes, der mehr Zeit im Freien verbrachte als in geschlossenen Räumen. Sommersprossen ließen auf schottisch-irische Wurzeln schließen, hatte ihr einmal jemand erzählt. Tja, sein Nachname lautete O’-Irgendwas. Wie war er noch gewesen?
Diese Frage wurde ein paar Minuten später beantwortet, als der Arzt mit einem Klemmbrett in der Hand hereinkam. »Mr. O’Neal?« Hector war aufgesprungen, noch bevor sein Name aufgerufen worden war. »Hier«, sagte er wie ein Schuljunge und reichte Cassandra den Kaffeebecher, ohne sie dabei anzusehen. Was war sie? Seine Sekretärin? Doch dann bemerkte sie das Zittern seiner Hände, bevor er die Arme vor der Brust kreuzte und sie unter die Achselhöhlen schob.
Dr. Bangdiwala. Cassandra warf einen Blick auf das Namensschild. Was für ein Name war das denn? Er sah wie ein Inder aus, mit brauner Haut, die diesen leicht gräulichen Stich hatte, dichtem schwarzen Haar und dem typischen ausgeprägten Singsang. Cassandra war aufgefallen, dass man seit einiger Zeit überall indische Ärzte antraf. Sogar in Davis. Dr. Choudry, der neue Kinderarzt. Ihre Nichte schwor auf ihn, meinte, er gehe so toll mit Catherine um. Woher kam es, dass sie in Städten wie Davis oder Morehead City landeten, so weit von ihrer Heimat und ihre Familie entfernt? Sie konnte nicht nachvollziehen, wie man einfach seine Sachen packen, alles und jeden, den man kannte, zurücklassen und an einem anderen Ort wie diesem hier von vorn anfangen konnte.
»Es ist doch kein Krebs, oder?«, fragte Hector.
Dr. Bangdiwala lächelte, was ihn augenblicklich sympathisch machte, fand Cassandra, denn allem Anschein nach verstand er, wie beängstigend es war, wenn die eigene Mutter das Bewusstsein verlor. »Nein, nein, nichts in dieser Art. Nur der Crohn ist wieder aufgeflammt. Hat sie Ihnen nichts davon gesagt?«
Hector seufzte und schüttelte den Kopf. »Nein. Sie erzählt ja keinem was.«
»Ach ja.« Der Arzt nickte. »Meine Mutter ist genauso. Es ist wirklich frustrierend.« Er schob sich das Klemmbrett unter den Arm und seine Brille hoch. »Abgesehen von sehr starken Schmerzen ist Ihre Mutter recht schwach und dehydriert. Ich werde sie für ein paar Tage hierbehalten, dafür sorgen, dass sie an den Tropf angeschlossen wird, und gebe ihr Steroide gegen die Entzündung.«
»Wann kann ich sie sehen?«
»Ich habe ihr etwas gegen die Schmerzen gegeben, und im Moment schläft sie«, antwortete Dr. Bangdiwala und sah auf seine Uhr. »In einer halben Stunde sollte ihr Zimmer fertig sein. Ich bitte eine der Schwestern, Sie zu holen, okay?« Er
schloss beide Hände um Hectors Hand und schüttelte sie. »Keine Sorge. In ein paar Tagen ist sie wieder ganz die Alte.«
Hector sah ihm nach, und seine Miene verriet Cassandra, dass er, wäre er eine Frau, jetzt in Tränen ausbrechen würde. Sie hatte diesen Ausdruck bestimmt eine Million Mal auf den Gesichtern ihrer Brüder gesehen, und es tat ihr in der Seele weh, dass Männer niemals die Erleichterung erfuhren, die es einem schenkte, wenn man sich einmal anständig
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