In dein Herz geschrieben
kaum.« Sie zog am Ärmel, um besser an die Naht ranzukommen, worauf er aufschrie und seinen Arm wegriss, ehe er ihr einen Blick über die Schulter zuwarf. »Sie schaffen es noch, dass ich Sie ersteche, wenn Sie nicht stillhalten«, sagte sie.
Er wandte sich wieder um, und sie bemerkte, dass seine Schultern zu beben begannen. Es dauerte eine geschlagene Minute, bis ihr aufging, dass er lachte.
»Was ist daran so lustig?«
»Glauben Sie ernsthaft, ich hätte in diesem Hemd geheiratet?«
»Sie sagten, Sie hätten es am zweitschönsten Tag in Ihrem Leben getragen.« Cassandra hatte ihre Arbeit mittlerweile beendet, blieb jedoch stehen, wo sie war, und tat so, als löse sie ein paar Fäden aus dem Armloch. Aus irgendeinem Grund wollte sie ihm nicht ins Gesicht sehen müssen, wenn er von seiner Ehe erzählte.
Er schwieg eine Zeit lang. »Tja«, sagte er schließlich. »Vielleicht war es das einmal. Aber nicht mehr.«
Sie erwartete, dass er fortfuhr, doch er schwieg weiter, also beschloss sie, sich um seinen Arm zu kümmern, während sie auf die Schwester warteten. So behutsam sie auch ans Werk ging, es war nicht zu übersehen, wie groß seine Schmerzen waren, denn er versteifte sich und sog scharf die Luft durch die Zähne ein. Der Schnitt war sogar noch tiefer, als sie vermutet hatte. Nachdem sie den Arm trocken getupft hatte, wusch sie sich die Hände, zog einen Hocker heran und durchforstete ihr Gehirn nach einem geeigneten Gesprächsthema.
»Hey«, sagte sie. »Sie haben mir noch gar nicht verraten, welcher der zweitschönste Tag in Ihrem Leben war.«
Zwar wirkte sein Gesicht vor dem Hintergrund des schwarzen Hemdes noch immer reichlich blass, dennoch hellte sich
seine Miene ein wenig auf. »Das war der 23. Juni 1992. Meine Brüder und ich waren zu einem senkrecht abfallenden Dropoff gefahren. Seit Stunden saßen wir im Boot, ohne dass ein Fisch angebissen hätte, und allmählich hatten wir die Nase voll. Da saßen wir in der Sonne, kurz vor dem Einschlafen, und auf einmal war es so weit. Kennen Sie dieses Geräusch? Dieses ziiiiiiieeeeeeeeeeeeee, wenn die Leine losgeht? Junge, Junge, was waren wir schnell auf den Beinen!«
Ein Fisch?, dachte Cassandra. Der zweitschönste Tag seines Lebens war der, an dem er einen Fisch gefangen hatte? Sie würde die Männer nie verstehen.
»Über fünfeinhalb Stunden haben wir mit diesem Mistkerl gekämpft. Ich dachte, mir fallen die Arme ab. Zweihundertvierzig Kilo. Der größte Marlin, den ich je gesehen habe.« Er grinste sie an. Sie wünschte, er würde es nicht tun. »Also, ist das etwa kein Grund, dieses arme alte Hemd zu retten?«
Sie betrachtete seine Brust, den Fisch mit dem in Weiß aufgedruckten Spruch und schüttelte den Kopf. »Tut mir leid.«
Ein paar Minuten später kam eine Schwester herein, nahm Utensilien aus Schränken und Schubladen und legte alles auf ein Tablett neben dem Untersuchungstisch, ehe sie nach einer Spritze griff, mit dem Finger dagegenklopfte und Hector ansah. »Wohin wollen Sie sie haben?«
Ehe sie etwas tun konnten, verdrehte er die Augen und kippte wie ein Mehlsack nach hinten.
Oh Gott, dachte Cassandra und hatte Mühe, nicht zu lachen, während sie von ihrem Hocker aufsprang. Es war nicht witzig. Ganz und gar nicht. Sie sah über Hectors Brust hinweg die Schwester an. Beide Frauen grinsten kopfschüttelnd.
»Wie gut, dass sie nicht die Kinder zur Welt bringen«, bemerkte die Schwester und stieß die Nadel in seinen Arm, ehe sie die Einstichwunde mit Alkohol desinfizierte und sein Gesicht zu tätscheln begann. »Aufwachen, Mr. O’Neal. Es ist alles
in Ordnung.« Sie wandte sich ab und warf die Spritze weg. »In einer Minute ist er wieder bei sich.«
Hector kam bereits zu sich und drehte den Kopf hin und her. Als er stöhnte, nahm Cassandra seine Hand und tätschelte sie. »Es ist alles okay«, sagte sie. »Kommen Sie, aufwachen.« Beim Anblick seines Gesichts fiel ihr auf, dass er sie ein klein wenig an einen Hollywood-Star erinnerte. An wen nur? Errol Flynn? Tyrone Power? Auf jeden Fall an jemanden, der in Piratenfilmen mitgespielt hatte.
In diesem Moment hoben sich flatternd seine Lider, und er blickte sie aus seinen blauen Augen an. Sie sah zur Schwester hinüber, die ihr den Rücken zugekehrt hatte, und als sie den Blick wieder auf Hector richtete, sah er sie immer noch an.
Sie kannte diesen Blick, hatte ihn schon einmal gesehen. Was war das für ein Blick? Dann wusste sie es. Es war der Mr. Darcy-Blick - genau jener, mit
Weitere Kostenlose Bücher