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In deinem Schatten

In deinem Schatten

Titel: In deinem Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Hambly
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braucht man sich nicht schön anzuziehen. Als ich Tessa dann auf der Straße vor dem Glendower gesehen habe, dachte ich zuerst, sie sei eine von diesen verrückten, alten Frauen, die im Bademantel und mit einer gehäkelten Stola durch die U-Bahn-Gänge streifen. Dann bin ich näher gekommen und habe gemerkt, um wen es sich handelt. Die Kälte schien ihr überhaupt nichts auszumachen …”
    “Ich weiß, dass sie Schlafwandlerin ist.” Während die Milch im Topf sich langsam erwärmte, holte Maddie die Dose Kakao aus einem fest verschlossenen Behälter, den Zucker aus einem ebenso fest verschlossenen zweiten und eine Packung Marshmallows aus einem dritten. Denn auch im saubersten Apartment in New York konnte man nie wissen … “Sie hat schon gestern Nacht versucht, im Schlaf die Wohnung zu verlassen. Ich habe sie gerade noch …” Sie zögerte und sah ihn an. Wie zum Teufel sollte sie die dunkle Gestalt im Korridor erklären? Diese tief sitzende Angst, die sie bis in ihre Träume verfolgte?
    Phil lehnte sich mit einer Schulter an die Ecke des Küchenschranks und verschränkte die Arme. “Du hast keine gute Meinung von Männern, oder?” Es klang weder spöttisch noch verächtlich, sondern war lediglich eine Frage.
    “Nein, habe ich nicht, ich weiß. Tut mir leid …”, antwortete Maddie.
Es tut mir leid, dass ich sofort gedacht habe, du wärst ein Stalker, ein Kidnapper und ein Vergewaltiger. Meine Schuld!
    “Bist du eine Lesbe?” Auch in dieser Frage schwang nichts Spöttisches mit.
    Die bunten Strasssteine in ihrem langen Haar funkelten, als sie den Kopf schüttelte. “Nein, nur eine Überlebende.”
    Er nickte. Sein Blick war nicht nur verständnisvoll, sondern wissend.
    Eine Minute lang standen sie sich im kalten, weißen Licht der Neonröhre über dem Herd gegenüber und sahen sich an.
    Schließlich sagte Maddie leise: “In dieser Nacht, als Tessa im sechsten Stock unterwegs war und ich dich das erste Mal gesehen habe …
Hast
du damals noch jemanden in dem Gebäude gesehen und gehört oder nicht? Ich habe dich schon einmal danach gefragt, und ich glaube, du bist meiner Frage ausgewichen.”
    Phil schwieg ziemlich lange. Das einzige Geräusch in der Küche war das Schaben des Holzlöffels, mit dem Maddie die Milch im Topf umrührte. Dann sagte er: “Bist du eigentlich medial veranlagt? Ich meine, weil du ja mit Tarotkarten arbeitest.”
    Maddie schüttelte den Kopf. “Irgendwann erkläre ich dir – falls es dich interessiert –, warum ich glaube, dass Tarot funktioniert,
wenn
es funktioniert. Aber man muss keine Hellseherin oder in der Lage sein, Auren oder so was zu sehen. Tarot … funktioniert einfach.” Sie schwieg eine Weile und rührte mit dem Löffel weiter im Kakao. Dann fragte sie: “Hast du jemanden im Gebäude gesehen?”
    “Nein”, antwortete Phil sehr schnell, ohne sie dabei anzusehen. Maddie sagte nichts.
    Nach längerem Schweigen fragte er: “Du meinst eine Art Geist?” Diesmal schwang in seiner Frage eine gewisse Schärfe mit, an der man merkte, was er von allem hielt, was mit Übersinnlichem zu tun hatte.
    Mehr noch allerdings verriet sein scharfer Ton seine Angst.
    “Ich weiß nicht, was ich meine”, antwortete Maddie ruhig. “Was meinst
du
?”
    Phil holte tief Luft. Dann seufzte er. Sein Gesicht verriet nicht, was er gerade dachte – bis auf die kleine Falte um einen Mundwinkel. “Ich habe keinen Geist gesehen”, sagte er. “Ich habe überhaupt nichts gesehen.” Er stützte das Kinn in eine Hand, sodass die verräterische Falte um seinen Mund von seinen Fingern verdeckt wurde. “Es ist nur so, dass ich diese Träume habe …”
    “Seit du in dem Haus schläfst?”
    Er nickte, holte wieder tief Luft und atmete tief aus, als versuchte er auf diese Art, etwas Schweres, Dunkles in seinem Inneren loszuwerden. Dann sah er an ihr vorbei und grinste. “Achtung, deine Milch …” Maddie drehte sich schnell um, nahm den Topf vom Herd und begann, Kakao und Zucker einzurühren. Phil trat näher und sah ihr bewundernd über die Schulter. “Seit ich aus Tulsa weg bin, bist du der erste Mensch, den ich treffe, der ihn richtig macht.”
    “In den Südstaaten macht jeder den Kakao richtig. Irgendwann habe ich von einem Yankee gehört, dass es auch mit Pulver und der Mikrowelle ginge, aber ich habe es ihm nicht abgenommen. Es gibt Dinge, die ich nicht einmal den Yankees im Norden zutraue.”
    “Vertrauen Sie uns nicht zu sehr, Miss Scarlett.” Phil schüttelte schmunzelnd

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