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In deinem Schatten

In deinem Schatten

Titel: In deinem Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Hambly
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Schritte. Schritte von oben. Dabei weiß ich doch, dass über mir nichts ist. Mein Studio ist im obersten Stock.” Er zuckte mit den Schultern.
    “Als ich zum ersten Mal etwas gehört habe – ich glaube, es war in der dritten Nacht, in der ich dort geschlafen habe – war es …” Er runzelte die Stirn und versuchte, sich genau daran zu erinnern, was er gehört oder geträumt hatte zu hören. “Es war merkwürdig. Ich hatte einen von diesem Träumen, in denen man glaubt, man sei wach – solche Träume hatte ich in meinem ganzen Leben vielleicht zwei- oder dreimal –, und ich hörte dieses Geräusch, dieses metallische Rütteln und Klopfen, als würde irgendetwas geschüttelt oder mit dem Hammer bearbeitet. Als ich dann in Schweiß gebadet aufgewacht bin, war nichts zu hören. Trotzdem bin ich aufgestanden, habe meine Taschenlampe genommen und bin hinausgegangen. Ich habe in allen Korridoren das Licht eingeschaltet und nachgesehen, aber ich habe nicht nur gar nichts gesehen, was diesen Lärm gemacht hat, sondern auch nichts, was ein Geräusch wie dieses hätte machen
können
.”
    Er trank seinen Kakao aus, stellte die Tasse zwischen ihnen auf den Boden und legte seine Arme um die Knie. Im flackernden Orange des künstlichen Kerzenscheins war Phils Blick schwer zu erkennen, doch an dem angespannten Zug um seine Augen erkannte Maddie, dass er sich an Dinge erinnerte, die weit schlimmer waren als das bisher Erzählte.
    “Vor ungefähr einer Woche habe ich dann von einem Feuer geträumt. Ich habe geträumt, dass ich in diesem dunklen Haus eingeschlossen bin und nicht atmen kann, weil überall Rauch ist. Das Feuer züngelt über den Holzboden und an den Wänden nach oben, und ich habe Angst. Ich weiß nicht, wann ich jemals zuvor eine derartige Angst hatte.” Er blickte zu Boden und drehte seine Tasse ein wenig, bis der Henkel parallel zu den Linien im Linoleum stand.
    “Diese Mädchen sind überall um mich herum. Sie laufen über große Tische bis in die Mitte des Raums und versuchen, sich zu retten. Aber es gibt keinen Weg hinaus. Das Zeug auf den Tischen fängt Feuer, und überall sprühen Funken. Da ist ein Mädchen, an das ich mich erinnere … Ihr Rock, einer von diesen langen Röcken, die bis zum Boden reichen, beginnt zu brennen …”
    Ihm versagte die Stimme, und er schüttelte den Kopf, als wolle er die Bilder, die ihn nicht mehr losließen, abschütteln.
    “Meine Güte, es war schrecklich – und so verdammt echt … Ich sehe mich um, ob es irgendeine Möglichkeit gibt, den Mädchen zu helfen, hinauszugelangen. Die Mädchen rennen alle zu dieser Tür, dieser Metalltür, und versuchen, sie zu öffnen. Doch sie ist versperrt. Sie rütteln an der Tür und schlagen mit ihren Fäusten dagegen, und ich merke, dass genau das das Geräusch ist, das ich gehört habe – dieses Rütteln und Hämmern …”
    “Ein paar springen aus dem Fenster”, sagte er leise. “Durch den Rauch kann ich die Dächer auf der anderen Straßenseite sehen, und ich merke, dass wir weit oben sind, im siebten oder achten Stock. Aber es gibt keinen anderen Fluchtweg.”
    Er starrte geradeaus und legte wieder eine Hand auf den Mund. In seinen Augen, die nun ganz dunkel waren, spiegelten sich die Angst und das Entsetzen über das, was er gesehen hatte. Nach einer Weile sagte er: “Ich weiß nicht, woher ich das alles habe. Vielleicht habe ich zu viele Videoclips von 9/11 gesehen.”
    Maddie schüttelte den Kopf und versuchte, die Bilder nicht an sich heranzulassen, die sie bei seiner Bemerkung über den 11. September sofort wieder einholten. “So hört es sich nicht an”, entgegnete sie rasch. “Für mich klingt das alles so, als würde es in dem Gebäude spuken. Möglicherweise hat es ja vor Jahren einmal ein Feuer gegeben …”
    “Ja. Genau …” Nun hatte Phil wieder diesen leicht sarkastischen Zug um den Mund. “Who you gonna call? Ghostbusters!”
    Trotz seines Witzes über die berühmten Geisterjäger war Maddie nicht nach Lächeln zumute. Sie beugte sich ein wenig vor, um an der Küchentheke vorbei einen Blick auf die Couch zu werfen, wo das kleine Häufchen Mensch, das ihre Freundin Tessa war, im Dunklen lag. “Was mir zu denken gibt”, sagte sie leise, “ist die Tatsache, dass sich das alles offenbar auf Tessa auswirkt. Was hat sie damals mitten in der Nacht im sechsten Stock getan, als sie an der Treppe nach oben stand? Sogar sie selbst konnte es mir nicht sagen. Aber sie war an diesem Tag seit halb fünf Uhr

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