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In deinem Schatten

In deinem Schatten

Titel: In deinem Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Hambly
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sie
noch mehr
Ballettunterricht nehmen konnte, wenn ein Vortanzen anstand. “Es ist ein schmaler Grat zwischen dem Versuch, jemanden bei der Verwirklichung seiner Träume zu unterstützen, und ihm die eigenen Träume aufzudrängen”, sagte sie. “Ich bin der Meinung, dass Tessa nie jemanden gehabt hat, der sie in ihren Träumen bestärkt hat.”
    “Darum setzt sie sich jetzt selbst so unter Druck.” Phil verschränkte die Arme und lehnte sich an die Wand neben der Tür zum Fahrstuhl, der immer noch auf sich warten ließ. “Sogar im Schlaf wandelt sie zurück in die Tanzschule, um noch einen
saute de basque
zu springen – und sei es ihr letzter …”
    “Glaubst du, das wollte sie heute Nacht tun?”
    Phil zog die Augenbrauen hoch.
    Also nicht, weil sie dem unheilvollen Einfluss eines Hauses erlegen ist, in dem es spukt?
    Maddie atmete tief durch. In beiden Fällen lautete die Antwort gleich: “Ich werde so gut ich kann auf sie aufpassen”, sagte sie. “Ich kann diesen Wahnsinn wegen des Vortanzens verstehen. Ich habe ihn selbst jahrelang mitgemacht. Es ist so ähnlich, als würde man in einem Proberaum in New York auf dem Boden schlafen, damit man seine Musik komponieren kann – anstatt in Tulsa einer gut bezahlten Arbeit am Bau nachzugehen.”
    Phil drohte ihr grinsend mit dem Finger. “Das kann man überhaupt nicht miteinander vergleichen”, sagte er mit gespielter Ernsthaftigkeit. “Ist das klar?”
    Und weil sein Finger so nah vor ihrem Gesicht war … strich er ihr eine Locke hinters Ohr, legte seine Hand in ihren Nacken und küsste sie.
    Maddie öffnete die Lippen. Sie spürte die Wand hinter ihren Schultern, seinen Arm, den er fest um ihre Taille gelegt hatte, und das brüchige Leder der Jacke unter ihren Fingern. Spürte das Kratzen von Bartstoppeln an ihrem Kinn, ihrer Wange und ihrem Hals, als sie den Kopf zur Seite neigte, damit er das schmale Stückchen Haut über ihrem Pullover küssen konnte. Sie wiederum fuhr mit den Lippen über seine Schläfe und die zarte Haut über seinem Jochbein, während ihre Finger mit seinem festen, dichten Haar spielten … und die ganze Welt verwandelte sich in einen einzigen dunklen, erregenden Strudel der Leidenschaft.
    Überall, wo sein Körper ihren berührte, spürte sie sein Beben.
    Der Fahrstuhl klingelte.
    Phil ließ sie los. Sie starrten sich zitternd und außer Atem an.
    Leugnen war zwecklos.
    Er streichelte ihre Wange genauso, wie er im Traum ihre Brüste gestreichelt hatte.
    “Sehen wir uns?”, fragte er.
    Maddie nickte. Sie hatte das Gefühl, als hätte sie einen Körper aus Stein gehabt, der nun mit einem Mal zerborsten war und sich in Licht verwandelt hatte.
    Phil stieg in den Fahrstuhl und war verschwunden.
    Der Buchladen Darkness Visible befand sich in einem dieser typischen alten Sandsteinhäuser im West Village. Er lag im Souterrain und hatte einen Lichthof, der unter Straßenniveau reichte. Im Sommer standen hier eine Kaffeemaschine und ein paar Blechtonnen mit zusammengerollten alten Postern von Rockstars der 60er-Jahre in schon historisch zu bezeichnenden, merkwürdigen Outfits. Jetzt, im Dezember, standen die Blechtonnen und die Kaffeemaschine im vorderen Teil des winzigen Ladens neben Regalen mit Räucherbündeln aus getrocknetem Salbei, Päckchen mit Minze, Essigkraut und anderen Gewürzkräutern, verschiedenen Sets von Tarotkarten – von Aleister Crowley bis Barbie-Tarot –, Schachteln mit Kristallen, Steinen mit Runen-Motiven, einer kleinen Harfe, I-Ging-Stäbchen aus Schafgarbe und kleinen Bronzefiguren, die die Hindu-Gottheit Ganesha, den Quetzalcoatl genannten Gott der Azteken und Pallas Athene darstellten. In den anderen Regalen stapelten sich Bücher zu allen nur vorstellbaren Themen, und vom hinteren Teil des Raumes führte eine Treppe hinauf in zwei kleine, mit Sari-Stoffen und Chiffontüchern dekorierte Zimmer, wo Maddie und zahlreiche andere Teilzeit-Wahrsagerinnen ihre Kunden empfingen. Neben der Treppe befand sich das Schwarze Brett: zentimeterdick zugepflastert mit Flyern von Trommelworkshops und Heilseminaren, Zettelchen gesuchter und gefundener Gegenstände sowie Visitenkarten sämtlicher Hellseher, Berater, Computerfachleute, Tänzer, Musiker, Babysitter und Putzhilfen, die seit 1964 einen Fuß ins West Village gesetzt hatten.
    Unter einem riesigen Gemälde, auf dem die Göttin Shiva mit Rita Hayworth tanzte, saß Diana Vale hinter ihrem großen, antiken Schreibtisch. Sie war eine sanft wirkende, grauhaarige Dame

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