In deinen Armen
MacLean eine Anhöhe hinauf, wo sich vor einem Himmel voller Wolkenfetzen zerklüftete Zinnen abhoben. »Das ist Castle MacLean.«
»Es ist wundervoll«, sagte Enid.
MacLean grinste. Das Schloss mochte einen romantischen Anblick bieten, aber er wusste es besser. »Warte lieber, bis wir Tageslicht haben, bevor du dir ein Urteil bildest. Castle MacLean hat schon manch schwere Zeiten hinter sich.«
»Aber die besten Stücke habt ihr retten können«, lobte ihn Graeme, während sie sich Wärme und Verpflegung näherten.
MacLean ließ noch einmal den Eulenschrei hören und wartete unter einem Baum, bis sich oben auf der Anhöhe die große Doppeltür öffnete.
In der Tür stand seine Mutter, Lady Bess Hamilton, vor den hellen Lichtern der großen Eingangshalle. Er erkannte sie an ihrem Schattenriss, über alle Maßen üppig, mit einem Turban auf dem Kopf und einer brennenden Zigarre in der ausgestreckten Hand. »Kiernan?«, rief sie. »Du kommst auf der Stelle herauf!«
Ah, er hatte so seine Probleme mit Mutter, aber im Augenblick erschien ihm ihre heisere Stimme wie der Ruf einer Lerche.
»Wir werden jetzt laufen«, sagte er zu Enid. »Glaubst du, du schaffst das?«
»Werd ich wohl müssen, oder?« Sie rannte wie ein Rehlein die Lichtung hinauf.
MacLean und Graeme ließen gleich lautende Flüche hören und setzten ihr nach.
Sie holten sie natürlich ein und setzten ihren Weg zusammen mit ihr im Zickzack fort, um einen möglichen Schützen zu verwirren.
»Komm schon, Mädchen!«, rief seine Mutter. »Die beiden lahmen Kerle hängst du doch ab!«
Drei Männer mit Fackeln, darunter Kinman, erschienen in der Tür und kamen auf sie zu. Gerade als MacLean zu der Überzeugung gekommen war, dass nur ein Idiot auf eine solche Gruppe schießen würde, fiel ein Schuss. Graeme ging zu Boden.
Mit einem Zornesschrei rannte Lady Beth den Weg hinunter. Die Männer mit den Fackeln liefen los, und noch mehr Männer strömten nach draußen.
Enid wollte stehen bleiben und Graeme helfen.
MacLean zerrte sie weiter auf das Schloss zu.
Sie wand sich in seinem Griff. »MacLean, er braucht meine Hilfe!«
»Wir bringen ihn zu dir. Aber hier draußen läuft ein Verbrecher mit einem Gewehr herum.«
»Aber er hat seine Kugel verschossen!«
MacLean hielt sich nicht damit auf, ihr zu erklären, dass es auch mehrere Männer und mehrere Gewehre sein konnten. Sie war ein kluges Mädchen. Sie wusste es.
»Ich hab sie.« Lady Bess, die fast so groß war wie er, hatte Enid fest im Griff. »Geh du und hilf Graeme.«
»Nein!« Kinman packte MacLean mit vergleichbarer Stärke. »Wir dürfen nichts riskieren, was ihn betrifft.«
Enid entwand sich seiner Mutter. Ach gehe da nicht hinein, wenn du nicht mitkommst.
«
MacLean starrte sie finster an. »Du tust, was man dir sagt!«
»Ich erlaube dir aber nicht, dich hundert Meter vor deinem Zuhause erschießen zu lassen!«
Lady Bess säuselte: »Also daher weht der Wind.«
»Nein!«, antwortete Emd.
»Er steht wieder!«, brüllten die um Graeme versammelten Männer.
MacLean sah Graeme, von zwei Männern aufrecht gehalten, losstolpern und sich grinsend das Blut von der Stirn wischen.
MacLean gab es auf. »Los jetzt!« Er hakte Enid unter und scheuchte sie, ohne sich um ihre Erschöpfung zu scheren, den Hügel hinauf. Immerhin hatte sie ihn vor seinem Freund und seiner Mutter zum Narren gemacht, und das innerhalb der ersten Stunde nach seiner Rückkehr.
Er hörte seine Mutter lachen und husten, während sie gemächlich auf das Schloss zuging. Seine Mutter fürchtete sich nicht vor einer mickrigen Kugel.
Kinman galoppierte hinter MacLean her.
Donaldina, die alte Haushälterin, stand in der Tür und winkte sie hinein.
Und aus Gründen, die nur er allein verstand, hob MacLean Enid hoch und trug sie über die Schwelle.
Kapitel 21
»Lass mich herunter, MacLean!« Enid bäumte sich entsetzt in MacLeans Armen auf, während sie über die Schwelle in eine hochgewölbte Halle traten, in der es von schreiendem Volk nur so wimmelte. »Lass mich runter, hab ich gesagt, MacLean! Für Ritterlichkeit ist es jetzt zu spät.«
Der Lärm erstarb. Enid hörte zu zappeln auf und betrachtete die Menschenmenge.
Fackeln und Kerzen erleuchteten die Halle. Lange Tische liefen die Wände entlang, und vor den beiden riesigen Kaminen standen ganze Gruppen bequemer Sessel. Die Männer hielten schottische Breitschwerter und Schilde in Händen, die Frauen Gewehre und Schießpulverdosen. Doch die Waffen fielen ihnen
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