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In deinen Augen

In deinen Augen

Titel: In deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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musste fast schreien, um mir Gehör zu verschaffen. »Wo sind Sam und Grace?«
    »Ringo ist vor ein paar Stunden mit dem Auto weg. Grace muss er mitgenommen haben. Keine Ahnung, wo die hinwollten.«
    »Du hast nicht gefragt?«
    »Wir sind schließlich nicht verheiratet«, entgegnete Cole und fügte dann kokett hinzu: »Na ja, noch nicht.«
    Da er beide Hände brauchte, um den Karton zu halten, schloss er die Tür mit dem Fuß hinter sich und sagte dann: »Küche.«
    Zum chaotischen Soundtrack der Musik ging ich voran in die Küche, wo der verbrannte Geruch am stärksten war. Dort sah es aus wie in einem Katastrophengebiet. Die Arbeitsplatte war voller Gläser, Textmarker, Spritzen und Bücher, daneben lag eine aufgerissene Tüte Zucker, deren Inhalt herauszurieseln drohte. Jede Schranktür war mit Fotos der Wölfe von Mercy Falls in ihrer menschlichen Gestalt vollgeklebt. Ich bemühte mich, nichts anzufassen.
    »Was verkokelt denn hier?«
    »Mein Gehirn«, antwortete Cole. Er schob den Karton auf das letzte bisschen freien Platz neben der Mikrowelle. »Entschuldige das Chaos. Zum Abendessen gibt es heute Amitriptylin.«
    »Weiß Sam, dass du seine Küche in ein Drogenlabor umgewandelt hast?«
    »Jawoll, alles Sam-Roth-genehmigt. Willst du einen Kaffee, bevor wir die Falle aufbauen?«
    Unter meinen Schuhsohlen knirschte Zucker. »Ich hab nie gesagt, dass ich dir dabei helfe, sie aufzubauen«, entgegnete ich.
    Cole spähte prüfend in eine Tasse, bevor er sie vor mir auf die Kücheninsel stellte und mit Kaffee füllte. »Ich hab zwischen den Zeilen gelesen. Zucker? Milch?«
    »Bist du high oder so was? Und warum hast du eigentlich nie ein T-Shirt an?«
    »Ich schlafe nackt«, erklärte Cole und gab Milch und Zucker in meinen Kaffee. »Im Laufe des Tages zieh ich dann immer mehr an. Du hättest mal vor einer Stunde kommen sollen.«
    Ich starrte ihn finster an.
    Dann sagte er: »Und außerdem bin ich nicht high. Aber ein bisschen empört, dass du so was fragst.« Er wirkte keineswegs empört.
    Ich trank einen Schluck Kaffee. Gar nicht so übel. »Woran arbeitest du hier wirklich?«
    »An etwas, das Beck hoffentlich nicht umbringen wird«, sagte er. Irgendwie gelang es ihm, gleichzeitig wegwerfend wie auch beinahe zärtlich über all die Chemikalien im Raum zu sprechen. »Weißt du, was echt super wäre? Wenn du mir helfen könntest, heute Abend in euer Schullabor zu kommen.«
    »Du meinst, einbrechen?«
    »Ich meine, ich brauche ein Mikroskop. Mit einem Labor aus Lego und Knete kann man eben nur eine begrenzte Anzahl von bahnbrechenden wissenschaftlichen Entdeckungen machen. Ich brauche eine vernünftige Ausstattung.«
    Ich musterte ihn. Diesem Cole, energiegeladen und selbstbewusst, konnte man nur schwer widerstehen. Ich runzelte die Stirn. »Ich helfe dir bestimmt nicht, in meine Schule einzubrechen.«
    Cole streckte die Hand aus. »Okay. Dann hätte ich gern meinen Kaffee zurück.«
    Mir war gar nicht bewusst gewesen, wie laut ich hatte sprechen müssen, um über die Musik gehört zu werden, bis zwischen zwei Songs eine Pause eintrat, in der ich die Stimme senken konnte. »Jetzt ist es meiner«, sagte ich, ein Echo dessen, was er in der Buchhandlung zu mir gesagt hatte. »Aber ich könnte dir helfen, in die Klinik zu kommen, in der meine Mom arbeitet.«
    »Du Philanthrop«, sagte er.
    »Was soll das denn heißen?«, gab ich zurück.
    »Keine Ahnung. Hat Sam die Tage mal gesagt. Ich fand, das hörte sich nett an.«
    Das war so ziemlich alles, was man über Cole wissen musste, nur diese paar Sätze. Er hörte etwas, was er nicht ganz verstand, fand es gut, und riss es sich prompt unter den Nagel.
    Ich wühlte in meiner winzigen Handtasche. »Ich hab dir noch was mitgebracht.«
    Ich überreichte ihm einen kleinen Modellmustang, schwarz und glänzend.
    Cole nahm ihn und setzte ihn sich auf die flache Hand. Er stand jetzt ganz still; mir war nicht aufgefallen, dass er das vorher offenbar nicht getan hatte. Nach einer Weile sagte er: »Na, der verbraucht mit Sicherheit weniger Sprit als meiner.«
    Er ließ das Miniauto die Kante der Arbeitsplatte entlangfahren und machte dabei ein leises, ansteigendes Motorengeräusch. Am Ende der Kücheninsel angekommen, ließ er den Wagen abheben und durch die Luft fliegen. »Aber dich lasse ich nicht ans Steuer, sorry«, sagte er.
    »Ein schwarzes Auto würde mir sowieso nicht stehen«, erwiderte ich.
    Plötzlich schoss Coles Arm hervor und schlang sich um meine Taille. Erschrocken riss

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