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In deinen Augen

In deinen Augen

Titel: In deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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ich die Augen auf. Er sagte: »Es gibt nichts, was dir nicht steht. Isabel Culpeper, Traumfrau deluxe.«
    Er fing an zu tanzen. Und mit einem Mal tanzte ich auch, weil Cole tanzte. Und dieser Cole war sogar noch unwiderstehlicher als der von vorher. Das hier war alles, was Coles Lächeln verhieß, umgewandelt in etwas Greifbares, in eine reale Situation, bestehend aus seinen Händen um meine Hüften und seinem schlanken Körper, der sich gegen meinen drängte. Ich tanzte gern, war mir dabei aber immer sehr bewusst gewesen, dass ich tanzte, was mein Körper machte. Jetzt, mit diesem donnernden Rhythmus und mit Cole, wurde alles außer der Musik unsichtbar. Ich wurde unsichtbar. Meine Hüften wurden zu dem dröhnenden Bass. Meine Hände auf Coles Schultern zum Heulen des Synthesizers. Mein Körper war nichts mehr als der harte, pulsierende Beat des Songs.
    Meine Gedanken zuckten nur noch zwischen den einzelnen Takten auf.
    Bumm:
    meine Hand auf Coles Bauch
    Bumm:
    unsere Hüften, die sich aneinanderpressten
    Bumm:
    Coles Lachen
    Bumm:
    wir waren eins
    Selbst das Wissen, dass Cole hierbei nur so gut war, weil es nun mal sein Job war, machte das Ganze nicht weniger fantastisch. Dazu kam, dass er nicht versuchte, fantastischer zu sein als ich – jede seiner Bewegungen diente unserem Zusammenspiel. Es gab kein Ego, nur die Musik und unsere beiden Körper.
    Als der Song schließlich endete, trat Cole, völlig außer Atem, einen Schritt zurück, ein kleines Lächeln auf dem Gesicht. Ich begriff nicht, wie er jetzt aufhören konnte. Ich wollte tanzen, bis ich nicht mehr stehen konnte. Ich wollte meinen Körper an seinen pressen, bis uns nichts mehr trennen konnte.
    »Du machst echt süchtig«, sagte ich zu ihm.
    »Du musst es ja wissen.«

KAPITEL 43
SAM
    Weil Grace sich heute schon fester in ihrer Haut verankert fühlte, wagten wir uns zum ersten Mal zusammen aus dem Haus. Sie duckte sich im Auto, als ich kurz in den Ein-Dollar-Laden rannte, um ihr ein paar Socken und T-Shirts zu kaufen, und dann in den Lebensmittelladen, um die Sachen von der Liste zu besorgen, die sie mir mitgegeben hatte. Es war schön, diese alltäglichen Dinge zu erledigen und zumindest den Anschein von Routine zu wahren. Das Einzige, was das Vergnügen schmälerte, war die Tatsache, dass Grace in diesem Auto festsaß, da sie offiziell immer noch vermisst wurde, und ich an den Boundary Wood gefesselt war, noch immer untrennbar mit dem Rudel verbunden, und wir beide Gefangene in Becks Haus waren, die darauf warteten, dass ihr Urteil vollstreckt wurde.
    Wir brachten unsere Einkäufe nach Hause und ich faltete Grace’ Liste zu einem Papierkranich und hängte ihn an die Decke zu den anderen. Der Luftzug der Heizung trieb ihn in Richtung Fenster, doch als ich ihn mit der Schulter anstupste, war der Faden nur gerade lang genug, dass er sich mit dem Kranich daneben verhedderte.
    »Ich würde gern zu Rachel fahren«, sagte Grace.
    »Okay«, antwortete ich. Ich hatte den Schlüssel schon in der Hand.
    Wir kamen eine ganze Weile vor dem letzten Klingeln an Grace’ Schule an und so saßen wir schweigend da und warteten darauf, dass der Unterricht endete. Als es so weit war, duckte Grace sich wieder auf dem Rücksitz, um nicht gesehen zu werden.
    Es war seltsam, schrecklich, vor ihrer alten Schule zu sitzen und zu beobachten, wie die älteren Schüler grüppchenweise, meist zu zweit oder zu dritt, aus dem Gebäude geschlendert kamen und auf die Busse warteten. Überall leuchtende Farben: neonbunte Umhängetaschen, knallige Shirts mit Mannschaftsmottos, frische grüne Blätter an den Bäumen auf dem Parkplatz. Die Autofenster schalteten die Gespräche auf stumm und so ganz ohne Ton machte es fast den Eindruck, als kommunizierten die Leute allein durch ihre Körpersprache. Es wurden so viele Hände in die Luft gereckt, Schultern aneinandergestoßen, Köpfe beim Lachen in den Nacken geworfen. Sie brauchten keine Worte, wenn sie nur bereit waren, lange genug zu schweigen, um ohne sie sprechen zu lernen.
    Ich sah auf die Uhr im Armaturenbrett. Wir waren erst seit ein paar Minuten hier, aber es kam mir länger vor. Es war ein herrlicher Tag, fast schon mehr Sommer als Frühling, einer jener Tage, an denen der wolkenlos blaue Himmel hoch und unerreichbar schien. Immer mehr Schüler kamen aus dem Gebäude, aber ich sah noch kein bekanntes Gesicht. Es war eine Ewigkeit her, seit ich hier darauf gewartet hatte, dass Grace aus dem Unterricht kam, damals, als ich noch

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