In deinen Augen
war zurückgekommen.
Der graue Wolf wandte sich mir zu und ich sah, wie sich die Ohren der weißen Wölfin hinter ihm sofort aus ihrer devoten Haltung aufrichteten. Alles an ihr schrie Rebellion, sobald er einen Moment nicht hinsah. Ihr Blick lag noch immer unverwandt auf mir. Es war eine Drohung, das verstand ich jetzt. Ich sollte im Rudel den Platz unter ihr einnehmen oder ich würde eines Tages wieder gegen sie kämpfen müssen. Und dann würde das Rudel vielleicht nicht da sein, um sie aufzuhalten.
Ich wollte nicht einlenken.
Ich starrte zurück.
Der graue Wolf machte ein paar Schritte auf mich zu und zeigte mir dabei Bilder von meinem zerfleischten Gesicht. Vorsichtig stupste er mein Ohr an. Er war wachsam, ich roch immer weniger nach Wolf und immer mehr nach dem Wesen, das ich war, wenn ich kein Wolf war. Mein Wunder von Körper arbeitete hart daran, mein Gesicht zu heilen und mich wieder zum Menschen zu machen. Es war nicht kalt genug, um mich in dieser Haut zu halten.
Die weiße Wölfin starrte mich an.
Ich konnte fühlen, dass mir nicht mehr viel Zeit blieb. Mein Hirn dehnte sich bereits wieder aus.
Neben mir knurrte der graue Wolf und ich zuckte zurück, bis mir klar wurde, dass er die Weiße meinte. Er trat weg von mir, noch immer knurrend, und nun stimmte der schwarze Wolf mit ein. Die weiße Wölfin machte einen Schritt rückwärts. Noch einen. Sie ließen mich zurück.
Ein Schauder lief durch meinen Körper, bis genau unter mein Auge, wo er einen stechenden Schmerz auslöste. Ich verwandelte mich. Der graue Wolf – Beck – schnappte nach der weißen Wölfin und drängte sie so weiter weg von mir.
Sie retteten mich.
Die weiße Wölfin warf mir einen letzten Blick zu. Dieses Mal.
KAPITEL 42
ISABEL
Ich wartete das ganze Wochenende darauf, dass Grace anrief und mich einlud vorbeizukommen, und als mir klar wurde, dass sie wahrscheinlich darauf wartete, dass ich mich einfach, wie immer, selbst einlud, war es schon Montag. Bis dahin war das Päckchen mit Coles gefährlichem Spielzeug bereits eingetroffen, also, dachte ich mir, würde ich es bei ihm abliefern und dabei Grace besuchen. Dann sähe es zumindest nicht so aus, als wäre ich extra hingefahren, nur um Cole zu sehen. Schließlich wusste ich, was gut für mich war. Auch wenn es mir nicht gefiel.
Als Cole mir die Tür aufmachte, hatte er obenrum nichts an und roch leicht verschwitzt. Er sah aus, als hätte er mit bloßen Händen ein Loch gegraben, und die Haut um sein linkes Auge schien geschwollen. Aber auf seinem Gesicht lag ein Lächeln, breit und liebenswürdig. Alles in allem ein beeindruckender Auftritt, auch mit seiner Bettfrisur und dem Outfit, das nur aus einer Jogginghose bestand. Cole hatte einfach etwas unbestreitbar Theatralisches, selbst wenn seine Bühne die stinknormale Welt war.
»Guten Morgen«, begrüßte er mich und blinzelte hinaus in den warmen Tag. »Mensch, ist ja das reinste Minnesota hier draußen. Hatte ich gar nicht gemerkt.«
Es war herrliches Wetter, einer dieser perfekten Frühlingstage, die Minnesota immer mal wieder mir nichts, dir nichts in Wochen voller Eiseskälte oder auch mitten in einer sommerlichen Hitzewelle dazwischenmogelte. Der Rasen roch genauso würzig wie die unebene Buchsbaumbepflanzung vor dem Haus.
»Der Morgen ist längst vorbei«, erwiderte ich. »Ich hab deine Sachen im Auto. Du hast nicht gesagt, was für Beruhigungsmittel, also hab ich einfach das heftigste Zeug genommen, das es gab.«
Cole rieb sich mit der schmutzigen Handfläche über die Brust und reckte den Hals, als könnte er schon vom Hauseingang aus sehen, was ich mitgebracht hatte. »Wie gut du mich doch kennst. Komm rein, ich koche gerade ’ne frische Kanne Dopingmittel. Hab ’ne beschissene Nacht hinter mir.«
Hinter ihm im Wohnzimmer plärrte Musik, es war schwer, sich vorzustellen, dass Grace sich im selben Haus befinden sollte. »Eigentlich hab ich keine Zeit«, sagte ich.
Cole lachte, ein lässiges Lachen, das meine Aussage als völlig abstrus abtat, und marschierte barfuß auf meinen Geländewagen zu. »Vorne oder hinten?«
»Ganz hinten.« Der Karton war nicht groß und ich hätte ihn auch gleich mit zum Haus bringen können, aber ich zog es vor, ihn in Coles Armen zu sehen.
»Na, dann komm mal mit in meine Werkstatt, meine Kleine«, sagte Cole.
Ich folgte ihm ins Haus. Drinnen war es kühler als draußen und irgendwas roch verbrannt. Die dröhnend laute Musik vibrierte rhythmisch in meinen Schuhsohlen; ich
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