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In deinen Augen

In deinen Augen

Titel: In deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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dafür, dass mein Inneres sich heftig verkrampfte. Ich war so nervös, dass es wehtat. Mir entfuhr ein kleiner Seufzer.
    »Ich kann aufhören«, sagte er. »Wenn du noch nicht so weit bist.«
    »Nein«, sagte ich. »Nicht aufhören.«
    Also knieten wir uns aufs Bett und hörten nicht auf, uns zu küssen, und er berührte mich weiter, behutsam, als hätte er mich noch nie zuvor berührt. Es war, als könnte er sich nicht erinnern, wie ich mich früher angefühlt hatte, und müsste es jetzt neu entdecken. Er betastete meine Schulterblätter, wo sie sich unter dem Stoff des Kleids abzeichneten. Ließ die Handfläche über meine Schultern gleiten. Zeichnete mit den Fingern die Rundung meiner Brüste am oberen Saum des Kleides nach.
    Ich schloss die Augen. Es gab andere Dinge auf der Welt, die unsere Aufmerksamkeit erforderten, aber jetzt, in diesem Moment, konnte ich an nichts anderes denken als an Sams Hände, die unter dem Kleid an meinen Oberschenkeln heraufwanderten, sodass sich der Stoff um mich bauschte wie Sommerwölkchen. Als ich die Augen wieder öffnete, meine Hände fest auf Sams gepresst, lagen unter uns hundert Schatten, jeder einzelne entweder Sams oder meiner, aber es war unmöglich, sie auseinanderzuhalten.

KAPITEL 41
COLE
    Dieses neue Gebräu war Gift. Irgendwann nach Mitternacht trat ich nach draußen. Jenseits der Hintertür war es schwarz wie in einer Gruft, aber ich lauschte erst mal, um sicherzugehen, dass ich allein war. Mein Magen zog sich vor Hunger zusammen, ein sowohl schmerzhaftes als auch produktives Gefühl. Der konkrete Beweis, dass mein Körper noch funktionierte. Das Fasten hatte mich zittrig und wachsam gemacht, wie ein grausames High.
    Ich legte mein Notizbuch mit den Einzelheiten meiner Experimente auf die Türschwelle, sodass Sam wusste, wohin ich verschwunden war, falls ich nicht zurückkommen sollte. Der Wald wisperte lockend. Er schlief auch dann nicht, wenn alle anderen es taten.
    Ich setzte die Nadel an meinem Handgelenk an und schloss die Augen.
    Mein Herz vollführte schon jetzt Sprünge wie ein hyperaktives Kaninchen.
    Die Flüssigkeit in der Spritze war farblos wie Spucke und wässrig wie eine Lüge. In meinen Adern wurde sie zu Rasierklingen und Sand, Feuer und Quecksilber. Ein Messer, das eine Kerbe in jeden meiner Rückenwirbel ritzte. Mir blieben exakt dreiundzwanzig Sekunden, um mich zu fragen, ob ich mich diesmal wohl endgültig umgebracht hatte, und dann noch elf, in denen mir klar wurde, dass ich es nicht hoffte. Dann noch drei, in denen ich mir wünschte, ich wäre im Bett geblieben. Und schließlich nur noch zwei, in denen ich dachte: Heilige Scheiße.
    Ich barst aus meinem menschlichen Körper, meine Haut riss so jäh auf, dass ich fühlte, wie sie sich von meinen Knochen schälte. Mein Kopf explodierte. Die Sterne über mir drehten sich und stellten sich dann wieder scharf. Ich grapschte nach der Luft, der Wand, dem Boden, allem, was sich nicht bewegte. Mein Notizbuch rutschte von der Türschwelle, mein Körper stürzte hinterher, und dann rannte ich.
    Ich hatte es gefunden. Das Gemisch, mit dem ich Beck seinem Wolfskörper entreißen würde.
    Selbst jetzt noch, als ich schon ein Wolf war, heilte mein Körper weiter, meine Gelenke schoben sich wieder ineinander, die Haut an meiner Wirbelsäule nähte sich zusammen, meine Zellen erfanden sich mit jedem riesigen Sprung, den ich machte, neu. Ich war eine unglaubliche Maschine. Dieser Wolfskörper, in dem ich nun steckte, hielt mich am Leben, auch wenn er mir gleichzeitig bereits meine menschlichen Gedanken raubte.
    Du bist Cole St. Clair.
    Einer von uns musste in der Lage sein, seine Gedanken zu halten, wenn wir die Wölfe umsiedeln wollten. Musste sich zumindest an genügend Details erinnern, um die Wölfe zu versammeln, um sie alle an einen Ort zu führen. Es musste doch einen Weg geben, ein Wolfsgehirn dazu zu bringen, sich auf ein einfaches Ziel zu konzentrieren.
    Cole St. Clair
     
    Daran versuchte ich mich festzuklammern. Daran wollte ich mich festklammern. Was brachte es schon, wenn ich mich verwandeln konnte, wenn ich den Wolf wenigstens für ein paar Augenblicke besiegte, aber dann den Triumph nicht auskosten durfte? Cole
     
    Nichts von dem, was dieser Wald zu sagen hatte, blieb mir jetzt verborgen. Der Wind schrie in meinen Ohren, während ich rannte. Meine Pfoten huschten sicher über gefallene Äste und Gestrüpp, meine Krallen scharrten über nackten Stein. Der Boden senkte sich, vor mir tat sich ein

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