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In deinen Augen

In deinen Augen

Titel: In deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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es so, wie du es willst. Erst Koenig, dann deine Eltern.«
    »Es ist immer besser, wenn man einen Plan hat«, sagte sie.
    Ob das wirklich stimmte, wusste ich nicht. Aber es fühlte sich auf jeden Fall so an.

KAPITEL 47
ISABEL
    Ich hatte Grace’ Bitte, das mit den Ferienkursen für sie rauszufinden, nicht vergessen, aber ich brauchte eine Weile, um mir darüber klar zu werden, wie ich es am besten anstellte. Schließlich konnte ich ja kaum so tun, als wollte ich es für mich selbst in Erfahrung bringen, und je spezifischer meine Fragen würden, desto größeren Verdacht würde ich erregen. Am Ende kam ich durch Zufall auf die Lösung. Als ich meinen Rucksack ausräumte, fand ich einen alten Zettel von Ms McKay, meiner Lieblingslehrerin aus dem letzten Schuljahr. Was nicht viel hieß, aber trotzdem. Dieser Zettel stammte aus meiner »problematischen Phase« – die Worte meiner Mutter – und Ms McKay teilte mir darauf mit, dass sie mir gern helfen würde, wenn ich sie nur ließe. Ich erinnerte mich, dass Ms McKay ziemlich gut darin war, Fragen zu beantworten, ohne selbst welche zu stellen.
    Leider war ich nicht die Einzige, die das an Ms McKay schätzte, darum musste man sich immer anstellen, wenn man nach der letzten Stunde mit ihr reden wollte. Sie hatte kein eigenes Büro, nur ihr Englisch-Klassenzimmer, und für Außenstehende sah es wahrscheinlich so aus, als warteten fünf Schüler verzweifelt vor ihrer Tür, um etwas über Chaucer zu lernen.
    Die Tür ging auf und wieder zu, als Hayley Olsen das Zimmer verließ und ein anderes Mädchen hineinging. Ich rückte ein Stück auf und lehnte mich an die Wand. Hoffentlich wusste Grace, was für einen Gefallen ich ihr hier tat. Ich hätte schon längst zu Hause sein und faulenzen können. Tagträumen. Die Qualität meiner Tagträume hatte sich in letzter Zeit geradezu explosionsartig gesteigert.
    Hinter mir tappten Schritte den Flur entlang, gefolgt vom unverkennbaren Geräusch eines Rucksacks, der auf den Boden plumpste. Ich warf einen Blick hinter mich.
    Rachel.
    Rachel war eine regelrechte Karikatur eines Teenagers. Die Art, wie sie sich präsentierte, hatte etwas unheimlich Kalkuliertes: die Streifen, die schrulligen Kleidchen, die Zöpfe und ulkigen Knödel, zu denen sie ihr Haar frisierte. So ziemlich alles an ihr schien verschroben, witzig, albern, naiv zu schreien. Nur dass es einen feinen Unterschied gab zwischen Unschuld und inszenierter Unschuld. Ich hatte gegen keins von beidem was einzuwenden, aber ich wusste nun mal gern, womit ich es zu tun hatte. Rachel hatte eine glasklare Vorstellung davon, wie sie von den Leuten wahrgenommen werden wollte, und lieferte ihnen genau das. Blöd war sie nicht.
    Rachel sah, wie ich sie musterte, tat aber so, als merkte sie es nicht. Mein Verdacht hatte sich jedoch schon erhärtet.
    »Na, so ein Zufall, dich hier zu sehen«, sagte ich.
    Rachel zog eine Grimasse, die ungefähr so lange anhielt wie ein Einzelbild in einem Film – zu schnell, um vom menschlichen Auge bewusst wahrgenommen zu werden. »Ja, so ein Zufall.«
    Ich beugte mich vor und senkte die Stimme. »Du bist aber nicht zufällig hier, um über Grace zu reden, oder?«
    Ihre Augen weiteten sich. »Ich mache schon eine Therapie und außerdem geht dich das nichts an.«
    Sie war gut.
    »Klar. Sicher machst du das. Also willst du Ms McKay ja wohl auch nichts über sie und die Wölfe erzählen«, sagte ich. »Denn das wäre so abgrundtief dämlich, dass ich gar nicht wüsste, wo ich anfangen soll.«
    Rachels Miene hellte sich mit einem Schlag auf. »Du weißt Bescheid!«
    Ich sah sie bloß an.
    »Dann ist es also wirklich wahr.« Rachel rieb sich den Oberarm und studierte eingehend den Fußboden.
    »Ich hab’s gesehen.«
    Rachel seufzte. »Wer weiß es sonst noch?«
    »Niemand. Und dabei bleibt es auch, klar?«
    Die Tür ging wieder auf und zu, als der Junge vor mir reinging. Ich war die Nächste. Rachel stieß ein genervtes Schnauben aus. »Tja, also, ich hab meine Englischlektüre nicht gelesen, darum bin ich hier. Nicht wegen Grace. Moment mal – heißt das etwa, du bist ihretwegen hier?«
    Ich war mir nicht sicher, wie sie zu diesem Schluss gelangt war, aber das änderte nichts daran, dass sie recht hatte. Eine halbe Sekunde lang zog ich es in Betracht, Rachel zu erzählen, dass Grace mich gebeten hatte, mich für sie nach Ferienkursen zu erkundigen, hauptsächlich, um ihr auf die Nase zu binden, dass Grace mich als Erste gefragt hatte – so oberflächlich

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