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In deinen Augen

In deinen Augen

Titel: In deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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war ich nun mal –, aber das brachte ja nichts.
    »Ich will nur ein paar Sachen wegen meiner Abschlussnoten wissen«, sagte ich stattdessen.
    Wir standen da, zwischen uns das unbehagliche Schweigen zweier Menschen, die eine Freundin gemeinsam hatten, aber ansonsten nicht viel. Am anderen Ende des Flurs liefen Schüler vorbei, lachend und lärmend, weil es Jungs waren und Highschooljungs nun mal den lieben langen Tag genau das taten. Die Schule roch immer noch nach den Burritos vom Mittagessen. Ich überlegte immer noch, welche Fragen ich Ms McKay stellen sollte.
    Rachel, die an der Wand lehnte und die Spinde auf der anderen Seite des Flurs betrachtete, sagte: »Lässt die Welt irgendwie viel größer erscheinen, oder?«
    Die Naivität ihrer Frage ärgerte mich. »Ist auch nur eine andere Art zu sterben.«
    Rachel sah mich von der Seite an. »Bei dir lautet die Werkseinstellung echt ›Miststück‹, was? Das zieht aber auch nur, solange du noch jung bist und heiß aussiehst. Danach reicht es gerade mal zur Geschichtslehrerin.«
    Ich sah sie an und kniff die Augen zusammen. »Dasselbe gilt aber wohl auch für ›überdrehtes Girlie‹.«
    Rachel schenkte mir ein breites Lächeln, wahrscheinlich das unschuldigste auf ihrer Skala. »Mit anderen Worten: Du findest, dass ich heiß aussehe?«
    Okay, Rachel war in Ordnung. Ich würde ihr nicht die Genugtuung eines Lächelns verschaffen, aber ich wusste, dass meine Augen mich verrieten. Die Tür ging auf. Wir musterten einander. Was ihre Verbündeten anging, hätte Grace sicher schlechter dran sein können.
    Während ich zu Ms McKay hineinging, dachte ich mir, dass Rachel eigentlich recht hatte. Die Welt schien wirklich mit jedem Tag größer.

KAPITEL 48
COLE
    Noch ein Tag und eine Nacht. Wir – Sam und ich – standen im QuikMart ein paar Meilen vom Haus entfernt, der Himmel über uns höllenschwarz. Das Zentrum von Mercy Falls war noch ein ganzes Stück weiter weg, dieser Supermarkt-Schrägstrich-Tankstelle war eher was für die »Ach Mist, ich hab vergessen, Milch zu kaufen« -Momente im Leben. Und genau das war auch genau der Grund, warum wir hier waren. Oder na ja, zumindest Sam. Teilweise, weil uns wirklich die Milch ausgegangen war, und teilweise, weil ich langsam begriff, dass Sam nicht schlief, ohne dass es ihm jemand befahl, und ich würde es ganz bestimmt nicht tun. Normalerweise fiel diese Aufgabe Grace zu, aber Isabel hatte gerade angerufen, um uns das genaue Modell des Helikopters mitzuteilen, in dem die Scharfschützen sitzen würden, und wir standen alle ein bisschen neben uns. Grace und Sam hatten eine wortlose Debatte geführt, nur mithilfe von Blicken, die Grace offenbar gewonnen hatte, denn kurz darauf fing sie an, Muffins zu backen, und Sam verzog sich schmollend mit seiner Gitarre auf die Couch. Wenn die beiden irgendwann mal Kinder haben sollten, entwickelten die wahrscheinlich aus purem Selbstschutz eine Glutenunverträglichkeit.
    Für Muffins brauchte man Milch.
    Also war Sam hier, um Milch zu besorgen, weil der Lebensmittelladen schon um neun Uhr zumachte. Ich hingegen war mitgefahren, weil ich, wenn ich nur eine Sekunde länger in Becks Haus hätte verbringen müssen, irgendwas kaputt gehauen hätte. Ich fand zwar jeden Tag ein bisschen mehr über das Wolfsgift heraus, aber die Jagd stand unmittelbar bevor. In ein paar Tagen würden meine Experimente vielleicht so brauchbar sein wie eine Forschungsreihe über den Dodo.
    Was uns um elf Uhr abends in den QuikMart brachte. Ich deutete auf das Regal mit den Kondomen, was Sam mit einem komplett humorlosen Blick quittierte. Er hatte in seinem Leben entweder zu wenige oder zu viele davon benutzt, um irgendetwas Komisches darin zu sehen.
    Ich seilte mich ab, um allein durch die Gänge des Ladens zu tigern, voller rastloser Energie. Diese schäbige kleine Tankstelle kam mir plötzlich vor wie die Wirklichkeit. Die Wirklichkeit, Monate, nachdem ich NARKOTIKA den Todesstoß versetzt hatte, indem ich mit Victor zusammen verschwand. Die Wirklichkeit, in der ich in Überwachungskameras lächelte und irgendwo vielleicht jemand zurücklächelte. Leise Countrymusik winselte aus den Lautsprechern neben dem Toilettenschild (»Nur für zahlende Kunden«). Ein grünlich schwarzer Nachthimmel, den man so nur in der Umgebung von Tankstellen fand, füllte die großen Fensterscheiben aus. Niemand war noch wach außer uns und ich war nie wacher gewesen.
    Ich ließ den Blick über Schokoriegel schweifen, deren Namen

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