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In deinen Augen

In deinen Augen

Titel: In deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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gefunden hätte. Selbst ein Experte hätte beim ersten nichts gesehen, beim zweiten vielleicht den Anfang von irgendetwas – noch nicht stark ausgeprägt, leicht zu bekämpfen – und dann immer mehr und mehr, bis es schließlich bei diesem hier so stark war, dass ihn auch ein ungeschulter Blick sofort erkannte: den Beweis, dass wir vermutlich nie voneinander geheilt werden würden, aber immerhin vielleicht nicht daran sterben mussten.
    Ich hörte die Schritte meiner Mutter eine Sekunde, bevor das Licht im Labor anging. Dann einen schweren Seufzer.
    »Isabel, was soll das?«
    Cole zuckte zurück und wir starrten sie an wie zwei ertappte Opossums hinter einer Mülltonne, als sie ein Stück zurücktrat, um uns zu mustern. Ich sah, wie sie zuerst die Vitalfunktionen kontrollierte: Wir hatten unsere Kleidung noch an, nichts wirkte zerzaust oder verrutscht, wir injizierten uns nichts. Sie sah Cole an; Cole grinste lasziv zurück.
    »Du – du bist doch …«, stammelte meine Mutter. Sie starrte ihn an und blinzelte dann. Ich wartete darauf, dass sie sagte der Sänger von NARKOTIKA, obwohl ich nie auf die Idee gekommen wäre, dass sie ein Fan sein könnte. Dann aber sagte sie: »Der Junge auf der Treppe. In unserem Haus. Der nackte. Isabel, als ich dir gesagt habe, dass ich nicht will, dass du so etwas unter unserem Dach tust, meinte ich eigentlich nicht, dass du es stattdessen in der Klinik machen sollst. Warum hockt ihr hier unter dem Tisch? Ach, ich will es lieber gar nicht wissen. Wirklich nicht.«
    Das traf sich gut, weil ich sowieso nicht wusste, was ich sagen sollte.
    Meine Mutter rieb sich mit einer Hand, in der sie ein eng bedrucktes Formular hielt, über die Augenbraue. »Mein Gott. Wo ist dein Auto?«
    »Auf der anderen Straßenseite«, antwortete ich.
    »Natürlich, wo sonst«, sagte sie. Sie schüttelte den Kopf. »Ich werde deinem Vater nicht erzählen, dass ich dich hier gesehen habe, Isabel. Nur bitte, tu …« Sie erläuterte nicht näher, was ich tun oder lassen sollte. Sie warf einfach nur meine halb ausgetrunkene Flasche Saft in den Mülleimer an der Tür und schaltete das Licht aus. Ihre Schritte entfernten sich über den Flur und dann öffnete sich die Eingangstür wieder und fiel ins Schloss. Der Bolzen klickte.
    Cole war unsichtbar im Dunklen, aber ich spürte ihn deutlich neben mir. Manchmal musste man die Dinge gar nicht sehen, um zu wissen, dass sie da waren.
    Irgendetwas kitzelte mich; ich brauchte einen Augenblick, bis ich begriff, dass Cole seinen kleinen Mustang über meinen Arm fahren ließ. Er lachte vor sich hin, leise und ansteckend, als müssten wir immer noch still sein. An meiner Schulter angekommen, drehte er den Wagen um und ließ ihn wieder runter zu meiner Hand fahren. Das Auto geriet ein wenig ins Schleudern, weil er so lachte.
    Ich diesem Moment dachte ich, dass dieses Lachen das Wahrhaftigste war, was ich je von Cole St. Clair gehört hatte.

KAPITEL 46
SAM
    Mir war nicht klar gewesen, wie sehr ich mich an unseren fehlenden geregelten Tagesablauf gewöhnt hatte, bis wir wieder einen hatten. Seit Grace im Haus war und Cole sich mehr auf seine wissenschaftlichen Experimente konzentrierte, hatte unser Leben wieder einen etwas normaleren Anstrich bekommen. Ich wurde wieder zum tagaktiven Wesen. Die Küche wurde wieder zu einem Ort, an dem man essen konnte; die Fläschchen verschreibungspflichtiger Medikamente und die hingekritzelten Notizen auf der Arbeitsplatte wichen Cornflakesschachteln und Kaffeetassen mit dunklen Ringen auf dem Boden. Grace verwandelte sich nur ungefähr einmal alle drei Tage und selbst dann auch nur für ein paar Stunden, nach denen sie auf wackligen Beinen aus dem Bad, wo sie sich vorher eingeschlossen hatte, ins Bett zurückkehrte.
    Irgendwie kamen mir die Tage kürzer vor, wenn Nacht und Schlaf einem einigermaßen festen Zeitplan folgten. Ich ging zur Arbeit und verkaufte Bücher an tuschelnde Kunden und dann kam ich nach Hause und fühlte mich wie ein Verurteilter, dem noch ein paar Tage Gnadenfrist gewährt worden waren. Cole verbrachte die Tage mit seinem Vorhaben, irgendwann mal einen Wolf zu fangen, und schlief jeden Abend in einem anderen Zimmer ein. Morgens erwischte ich Grace dabei, wie sie Näpfe mit altem Müsli für die Waschbären rausstellte, und abends erwischte ich sie dabei, wie sie sich sehnsüchtig Collegewebsites ansah und mit Rachel chattete. Wir alle schienen auf der Suche nach etwas Flüchtigem, Unerreichbarem.
    Die Wolfsjagd wurde

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