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In deinen Augen

In deinen Augen

Titel: In deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Hintergrund murmelte meine Mutter etwas. »Deine Mutter sagt, wenn du mitkommst, bezahlt sie dir den Ölwechsel an deinem Wagen.«
    Ich riss die Tür meines Geländewagens auf und starrte wütend auf die Pfütze, in der ich stand. Diese Woche war einfach alles nass. Aus dem Auto schlug mir warme Luft entgegen, ein Zeichen dafür, dass Frühling war – es war tatsächlich warm genug geworden, um im Laufe des Tages das Innere des Wagens aufzuheizen. »Das hat sie mir schon dafür versprochen, dass ich gestern ihre Sachen in die Reinigung gebracht habe.«
    Mein Vater gab diese Information an meine Mutter weiter. Pause. »Sie sagt, dann fährt sie mit dir nach Duluth wegen irgendwelcher High- und Lowlights, was auch immer das ist. Moment, hat das was mit Haaren zu tun? Ich finde es gar nicht gut, wenn –«
    »Ich will wirklich nicht mit«, unterbrach ich ihn. »Ich hab schon was vor.« Dann kam mir ein Gedanke. »Was wollt ihr denn feiern? Geht’s um die Wolfsjagd?«
    »Ja, schon, aber darüber reden wir bestimmt nicht den ganzen Abend«, antwortete mein Vater. »Komm schon, das wird lustig. Wir können –«
    »Okay. Schon gut. Ich komme mit. Sag Mom, dass ich dringender einen Haarschnitt brauche als Farbe. Und auch nicht bei diesem Trottel, den sie so toll findet. Wenn der mich in die Finger kriegt, seh ich nachher immer aus wie eine Fußballmutti. Der Typ hat sein Handwerk anscheinend anhand von Neunzigerjahre-Sitcoms erlernt.« Ich stieg ins Auto, startete den Motor und versuchte, nicht an den Abend zu denken, der vor mir lag. Was tat ich nicht alles für Grace und Sam …
    »Du machst mich damit sehr glücklich, Isabel«, sagte mein Vater. Stirnrunzelnd sah ich das Lenkrad an. Aber irgendwie glaubte ich ihm.
     
    Jedes Mal wenn wir das Il Pomodoro betraten, fragte ich mich, wie es diesem Laden gelungen war, meine Eltern dermaßen einzulullen.
    Schließlich waren wir Kalifornier, verdammt noch mal, da sollten wir doch einen gewissen Standard für kulinarische Erlebnisse verlangen. Und doch saßen wir wieder hier an dem rot-weiß karierten Tischtuch und hörten irgendeiner bedauernswerten Collegeabsolventin bei ihrem Operngesang zu, während wir die Speisekarte studierten und dabei vier verschiedene Sorten Brot knabberten, von denen keine wirklich italienisch, sondern alle ziemlich nach Minnesota aussahen. Der Raum war schummrig und die Decke niedrig und mit Schalldämmplatten verkleidet. Eine italoamerikanische Gruft mit einem Klecks Pesto obendrauf.
    Ich hatte mein Bestes gegeben, mich während des Hinsetzens wie eine Klette an meinen Vater zu heften, immerhin waren wir bestimmt fünfzehn Leute und ich war schließlich nur mitgekommen, damit ich hören konnte, was er sagte. Trotzdem schaffte es im letzten Moment noch eine Frau namens Dolly, sich zwischen uns zu mogeln. Ihr Sohn, dessen Frisur aussah, als hätte er sich rückwärts in einen Windkanal gestellt, saß auf meiner anderen Seite. Ich knibbelte an den Enden meiner Grissini und bemühte mich, meine Tischnachbarn nicht mit den Ellbogen anzustoßen.
    Etwas Kleines, Helles flog über den Tisch, landete punktgenau im Ausschnitt meines Oberteils und nistete sich zwischen meinen Brüsten ein. Mir gegenüber saß ein weiterer Überlebender des Windkanals – wahrscheinlich der Bruder –, der jetzt grinste und meinem Tischnachbarn verschwörerische Blicke zuwarf. Dolly kriegte von alldem nichts mit und quasselte über meinen Vater hinweg auf meine Mutter ein, die auf seiner anderen Seite saß.
    Ich beugte mich über den Tisch zu dem Krümelwerfer. »Mach das noch mal«, sagte ich, laut genug, um über die Opernsängerin, Dolly, meine Mutter und den Geruch der Grissini hinweg gehört zu werden, »und ich verkaufe dein erstgeborenes Kind an den Teufel.«
    Als ich mich wieder zurücklehnte, sagte der Junge neben mir: »Tut mir leid, er ist echt ’ne Nervensäge.« Doch ich wusste, was er wirklich meinte, war: Super Aufhänger, um sie anzuquatschen, danke, Bruderherz! Grace hätte natürlich widersprochen und gesagt: Er wollte bestimmt nur nett sein, weil Grace immer nur das Netteste von den Leuten dachte. Aber Jack wäre auf meiner Seite gewesen.
    Um ehrlich zu sein, fiel es mir ziemlich schwer, nicht an das letzte Mal zu denken, als wir hier gewesen waren und Jack mir gegenübergesessen hatte, vor einem Hintergrund aus Reihen von Weinflaschen, genau dort, wo jetzt der Junge saß. An jenem Abend hatte Jack sich wie ein ziemliches Arschloch aufgeführt, auch wenn

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