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In deinen Augen

In deinen Augen

Titel: In deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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konzentrierte, ging es ihm gut. Das war der alte Dad, beinahe frustrierend mächtig, aber letztendlich doch jemand, auf den man stolz sein konnte, ein Vater zum Bewundern. Seit Jack tot war, hatte ich diese Version von unserem Dad nicht mehr gesehen.
    Verbittert stellte ich fest, dass ich, wäre es bei alldem nicht um das Schicksal von Sam und Grace und Cole gegangen, in diesem Moment vielleicht sogar glücklich gewesen wäre, selbst hier im Il Pomodoro. Mit meiner Mutter und meinem Vater, die lächelten und plauderten wie früher. Das alles hatte nur einen winzigen Preis. Ich konnte meine Eltern zurückhaben – aber dafür würde ich alle meine wahren Freunde verlieren.
    »Oh nein, in Kanada sind sie weitverbreitet«, erklärte mein Vater gerade dem Mann, der ihm gegenübersaß.
    »Hier geht es nicht um Zahlen«, fügte Marshall hinzu, weil es niemand aussprechen würde, wenn er es nicht tat. Darauf wusste niemand etwas zu sagen. Wir zuckten alle erschrocken zusammen, als die Sängerin wieder loslegte. Ich sah deutlich, wie Marshalls Lippen ein Mein Gott formten, aber über den durchdringenden Sopran war es nicht zu hören.
    Im selben Moment, als ich mein Handy an meinem Bein vibrieren spürte, kitzelte mich etwas am Kragen. Ich sah auf und dem Deppen von gegenüber direkt in sein blödes, grinsendes Gesicht. Er hatte mir noch einen Krümel ins Oberteil geworfen. Diesmal war die Musik zu laut, um etwas zu ihm zu sagen, was vielleicht nicht das Schlechteste war, weil alles, was mir einfiel, ziemlich deftige Schimpfwörter waren. Außerdem musste ich nun jedes Mal, wenn ich zu dem Jungen hinübersah, daran denken, wie Jack mit uns hier gesessen hatte und dass wir jetzt alle hier hockten und über die Tiere redeten, die ihn getötet hatten, anstatt darüber, dass er nie wieder mit uns in diesem Restaurant sitzen würde. Ich zuckte zusammen, als mich wieder etwas berührte, diesmal an den Haaren. Es war der Junge neben mir, die Finger an meiner Schläfe.
    »– hast auch was in die Haare gekriegt«, rief er mir über den Gesang zu. Ich hob die Hand, wie um zu sagen: Lass es, lass es einfach sein.
    Mein Vater lehnte sich über den Tisch zu Marshall hinüber und versuchte, sich durch freundschaftliches Brüllen über etwas, was stark nach Bizet klang, Gehör zu verschaffen. »Aus der Luft kann man alles sehen.« Ich zog mein Handy hervor und klappte es auf. Als ich Sams Nummer sah, ging ein eigenartig nervöser Ruck durch meinen Magen. Er hatte mir eine SMS geschickt, die vor Tippfehlern nur so strotzte.
     
    wir gaben sie gefunfen. war schlimn aber cole war echu ein held.
    dachgte nur das willst du vieil wissen. s
     
    Es war schwer, mir die Wörter Cole und Held im selben Zusammenhang vorzustellen. Held schien auf irgendeine Art von edelmütigem Verhalten hinzudeuten. Ich versuchte, unter dem Tisch zurückzuschreiben, ohne dass es der überaus hilfsbereite Typ auf meiner einen und Dolly auf meiner anderen Seite mitbekamen, um ihn wissen zu lassen, dass ich jetzt hier im Restaurant war und wichtige Details mithörte und dass ich später anrufen würde. Oder vorbeikommen. Als ich »oder komme vorbei« schrieb, spürte ich wieder dieses Zucken im Bauch und eine Welle von Schuldgefühlen durchströmte mich, ohne dass ich hätte sagen können, warum.
    Dann brach der Gesang ab und ringsum wurde applaudiert – Dolly hatte die Hände an ihr Gesicht gehoben und klatschte mir enthusiastisch ins Ohr –, nur mein Vater und Marshall unterhielten sich weiter über den Tisch gebeugt, als hätte es nie irgendwelche Musik gegeben.
    Die Stimme meines Vaters war nun klar zu verstehen: »… sie aus dem Wald heraustreiben, wie wir das vorher schon gemacht haben, aber diesmal mit mehr Leuten, mit dem Staat und den Artenschutzbehörden hinter uns und so weiter, und sobald wir sie nördlich des Boundary Wood auf freier Fläche haben, übernehmen der Helikopter und die Scharfschützen.«
    »Neunzigprozentige Erfolgsquote in Idaho, sagst du?«, erkundigte sich Marshall. Seine Gabel schwebte über seiner Vorspeise, als wollte er sich darauf Notizen machen.
    »Genau, dann spielt der Rest auch keine Rolle mehr«, sagte mein Vater. »Allein, ohne ihr Rudel können sie nicht überleben. Ein Wolf braucht mehr als nur einen Partner, um genug Wild zu reißen.«
    Wieder vibrierte das Handy in meiner Hand und ich klappte es auf. Noch einmal Sam.
     
    ich dachtesie stirbt isabel. ich bin so erleichterz dass es wehtut.
     
    Ich hörte den Jungen

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