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In deinen Augen

In deinen Augen

Titel: In deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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langsam auf ihn zuging. Meine Hände fühlten sich wie nutzlose Klumpen an meinen Seiten an.
    »Nein?«, fragte ich. Ich fühlte mich gereizt, defensiv, trotz seines lockeren Tonfalls. Gefunden zu werden, war auch nicht gerade meine dringlichste Absicht. Und gesucht zu werden, gefiel mir auch nicht besonders gut.
    »Ich hab den anderen gesagt, wenn, dann findet man Sie hier«, sagte Koenig.
    Ich nickte. »Das stimmt wohl.« Ich hatte das Gefühl, als müsste ich jetzt fragen: Was kann ich für Sie tun?, aber ich wollte es eigentlich gar nicht wissen. Am liebsten wollte ich einfach nur allein sein, um alles zu verarbeiten, was in den letzten zweiundsiebzig Stunden passiert war.
    »Wir hätten da ein paar Fragen an Sie«, sagte Koenig. Hinter ihm machte die Tür pling und eine Frau kam herein. Sie hatte eine riesige lila Handtasche dabei, von der ich aus irgendeinem Grund nicht den Blick wenden konnte.
    »Wo ist denn bitte die Ratgeberabteilung?«, fragte sie mich. Sie schien überhaupt nicht zu bemerken, dass gerade ein Polizist vor mir stand. Vielleicht unterhielten andere Leute sich ja andauernd einfach so mit Polizisten. Die Vorstellung fiel mir schwer.
    Wäre Koenig nicht da gewesen, hätte ich ihr erzählt, dass jedes Buch, das je geschrieben worden war, ein Ratgeber war, und sie gefragt, ob sie ihre Frage wohl etwas präzisieren könnte. Und dann wäre sie mit vier Büchern mehr gegangen, als sie eigentlich hatte kaufen wollen. Aber solange er zuhörte, sagte ich nur: »Da drüben. Hinter Ihnen.«
    »Auf der Wache«, fuhr Koenig fort. »Um Ihre Privatsphäre zu wahren.«
    Um meine Privatsphäre zu wahren. Das klang gar nicht gut.
    »Sam?«, fragte Koenig.
    Ich merkte, dass ich noch immer dieser lila Lederhandtasche hinterherstarrte, die sich nun durch den Laden bewegte. Das Handy der Frau hatte geklingelt und jetzt jammerte sie irgendetwas hinein.
    »Okay«, sagte ich. »Ich meine, ich muss ja wohl, oder?«
    Koenig antwortete: »Sie müssen gar nichts. Aber das alles ist wesentlich angenehmer, wenn kein Haftbefehl im Spiel ist.«
    Ich nickte. Wörter. Ich musste irgendetwas sagen. Aber was? Ich dachte an Karyn, die im Hinterzimmer saß und dachte, hier vorne wäre alles in Ordnung, weil ich hier war. »Ich muss meiner Chefin Bescheid sagen, dass ich gehe. Ist das okay?«
    »Natürlich.«
    Ich spürte, wie er mir folgte, als ich nach hinten ging. »Karyn«, sagte ich und lehnte mich in den Türrahmen. Ich schaffte es nicht, meine Stimme locker klingen zu lassen, aber ich gab mir Mühe. Mir fiel auf, dass ich sie normalerweise nicht beim Namen rief, und das Wort fühlte sich fremd an in meinem Mund. »Tut mir leid, ich muss ein Weilchen weg. Ähm, Officer Koenig – sie wollen, dass ich komme und ein paar Fragen beantworte.«
    Eine Sekunde lang blieb ihr Gesicht unverändert und dann verhärtete es sich schlagartig. »Sie wollen was? Sind sie jetzt hier?«
    Sie stemmte sich aus ihrem Stuhl hoch und ich trat zurück, sodass sie einen Blick durch die Tür werfen konnte und Koenig, der zu einem der Papierkraniche hochstarrte, die ich oben an der Empore aufgehängt hatte, zwischen den Regalen stehen sah.
    »Was ist hier los?«, verlangte sie zu wissen, mit ihrer forschen, geschäftsmäßigen Stimme, die normalerweise für schwierige Kunden reserviert war; eine sachliche Stimme, die deutlich machte, dass sie sich nichts gefallen ließ. Business-Karyn, so nannten wir sie beide. Sie verwandelte sie in einen vollkommen anderen Menschen.
    »Ma’am«, erklärte Koenig entschuldigend – die natürliche Reaktion auf Business-Karyn –, »einer unserer Ermittler würde Sam gern ein paar Fragen stellen. Er hat mich gebeten, ihn abzuholen, damit die beiden sich in Ruhe unterhalten können.«
    »Unterhalten«, echote Karyn. »Ist das die Art von Unterhaltung, bei der besser ein Anwalt dabei sein sollte?«
    »Das muss Sam entscheiden. Aber im Moment wird ihm nichts zur Last gelegt.«
    Im. Moment.
    Karyn und ich hatten es beide gehört. Im Moment, das war nur ein anderer Ausdruck für noch nicht. Sie sah mich an. »Sam, willst du, dass ich Geoffrey anrufe?«
    Ich wusste, dass mein Gesicht mich verriet, denn sie beantwortete ihre Frage gleich selbst. »Er ist gerade nicht erreichbar, oder?«
    »Ich komme schon klar«, beruhigte ich sie.
    »Das ist doch pure Schikane«, fuhr Karyn Koenig an. »Er ist ein leichtes Ziel, weil er nun mal nicht so ist wie alle anderen. Würden wir diese Unterhaltung auch führen, wenn Geoffrey Beck in

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