In deinen schlimmsten Träumen: Roman (German Edition)
vergewaltigt hat?«
Aus den Boxen schmachtete Dean Martin »That’s Amore« über den Hof.
»Nein, er sitzt immer noch im Gefängnis. Außerdem ist er Chinese, also nicht gerade sehr weißhäutig.«
Die von beiden Opfern beschriebenen weißen Hände machten ihr immer noch Kopfzerbrechen.
»Ich habe deine Nachricht wegen der Weißfleckenkrankheit gehört. Sie führt zur Depigmentierung, zur Bleichung der Haut also. Angeblich soll Michael Jackson davon betroffen sein.«
Hayden legte Messer und Gabel ab und kaute. »Weißt du, das beschäftigt mich jetzt schon eine ganze Weile. Auch wenn Melanie diesen weißen Streifen, von dem Louise sprach, nicht gesehen hat, es muss einfach etwas zu bedeuten haben. Willard hat keine Verunstaltung, weder an den Armen noch an der Hand. Aber vielleicht hat unser Mann ja diese Weißfleckensache.«
Anya ließ den Rand des Pizzastücks liegen und nahm das nächste Stück in die Finger, wobei ihr diesmal egal war, wie unzivilisiert sie dabei wirkte. »Könnte es nicht auch ein Farbspritzer auf seiner Hand gewesen sein?«
»Daran habe ich auch schon gedacht. Ich weiß, dass die Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass Willard wieder vergewaltigt hat, aber irgendetwas sagt mir, dass er nicht der Richtige ist. Ich werde einfach dieses komische Gefühl im Bauch nicht los, dass er es nicht gewesen ist.«
»Habt ihr das Messer gefunden, mit dem Liz Dorman umgebracht wurde?«
»Nein. Vielleicht führt Willard uns ja an der Nase herum und hat viel mehr auf dem Kasten, als wir ihm zutrauen.«
Das Handy des Ermittlers klingelte, und er drehte sich auf dem Stuhl zur Seite und ging dran.
»Danke für die Info«, sagte er und klappte das Handy zu.
Er war aschfahl.
»Stimmt was nicht?«
»So viel zu unseren Theorien. Das war das Labor, wegen des Bluts auf Willards T-Shirt. Das stammte wohl doch von Liz Dorman.«
31
Am nächsten Morgen traf sich Anya vor dem Gefängnis von Long Bay mit Veronica Slater. Immer wenn sie hierherkam, ließ das Heulen des Winds in den Bäumen den Ort geradezu unheimlich erscheinen, obwohl er so nah am Meer lag.
Es war unüblich, dass Anya sich mit einem Angeklagten traf, aber Veronica hatte es für unabdingbar erklärt. Anya bekam die Zeit bezahlt, und das war Anreiz genug. Nachdem sie die Vergewaltigungsopfer kennen gelernt sowie die Autopsieberichte zu den Mordfällen Dorman und Randall gelesen hatte, war Anya neugierig zu erfahren, was für ein Typ Mensch Willard war und wie er sich verhielt. Ob er einschüchternd wirkte oder womöglich unscheinbar war.
Vor dem Verwaltungskomplex standen diverse Kamerateams und schienen darauf zu warten, dass etwas passierte. Kaum betrat Veronica die Bildfläche, da rannten sie los, um ihr einen Mikrofongalgen, so nah es ging, vors Gesicht zu halten.
»Können Sie uns sagen, ob Willard als suizidgefährdet eingestuft ist?«
»Hat er weitere Morde und Vergewaltigungen gestanden?«
»Glauben Sie, dass er diesmal nicht mehr lebend aus dem Gefängnis kommen wird?«
»Hätte er überhaupt je entlassen werden dürfen?«
Niemand wartete eine Antwort ab, bevor die nächste Frage gestellt wurde.
Veronica tat so, als träfe dieser Überfall sie gänzlich unvorbereitet. »Hierzulande gilt jeder Mensch als unschuldig, bis seine Schuld bewiesen ist. Und ich habe die namhafte Rechtsmedizinerin Dr. Anya Crichton hier bei mir, um mir zu helfen, Geoff Willards Unschuld zu beweisen.«
Dieses Miststück Veronica! Sie hatte es so hingestellt, als sei Anya auf »ihrer Seite«, obwohl sie doch tatsächlich nur ein auf Tatsachen beruhendes Gutachten erstellte. Anya missachtete die Kameras, die sie bis in das Gebäude hinein verfolgten, und hoffte, ihnen kein gutes »Bild« geboten zu haben. Sie schäumte, weil Veronica ihre Glaubwürdigkeit bei der Aufklärung sexueller Übergriffe, bei Polizei und Richtern aufs Spiel gesetzt hatte.
Veronica stapfte derweil über den Teppichboden auf den Informationsschalter zu.
»Wer hat den Reportern gesteckt, dass wir Willard heute besuchen? Das sind Geier da draußen. Ein wahres Spießrutenlaufen haben wir hinter uns.«
Der Beamte am Schalter zuckte die Schultern und bat sie, sich anzumelden.
»Tut mir leid, dass ich da draußen Ihren Namen genannt habe«, meinte sie beiläufig über die Schulter, »aber ich war völlig perplex.«
Ein Strafverteidiger, der nicht sofort auf alles eine Antwort parat hätte, war Anya bislang allerdings noch nie untergekommen.
»Eines wollen wir mal klarstellen: Sie
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