In deinen schlimmsten Träumen: Roman (German Edition)
Und überhaupt, wir können ganz einfach argumentieren, dass er das Foto von sonst wem geschickt bekommen hat. Vielleicht hat ihm jemand eine Falle gestellt? Wäre ja nicht das erste Mal, dass die Polizei versucht, einem von meinen Mandanten was anzuhängen.«
Anya lehnte sich gegen die Tür. »Spielen Sie nicht das Opfer, Veronica, das steht Ihnen nicht. Wie viele Kolleginnen haben Sie im Lauf Ihrer Karriere schon aus dem Weg geräumt?«
Die Anwältin lächelte und schüttelte den Kopf. »Versuchen wir’s jetzt mit persönlichen Angriffen, nachdem die Vernunftargumente aufgebraucht sind? Sie haben soeben nur Ihre Eifersucht unter Beweis gestellt. Es geht Ihnen doch nur um meine Intim beziehung zu Dan. Und um sonst gar nichts.«
Anya wurde es heiß im Nacken. »Und jetzt reden Sie im Wahn.«
Etliche Besucher betraten den Verbindungsweg, und die beiden Frauen unterbrachen ihre Auseinandersetzung, bis sie ihre persönliche Habe aus den Schließfächern geholt und sich beim Verlassen des Gebäudes abgemeldet hatten.
Anya ärgerte sich, dass sie persönlich geworden war, aber ihr fiel einfach nie eine schlagfertige Retourkutsche ein. Um vier Uhr früh wäre es dann wahrscheinlich so weit.
Die Presse lag immer noch auf der Lauer, und Veronica war in bester melodramatischer Stimmung. »Ich mache mir größte Sorgen um die geistige Gesundheit meines Mandanten, der nicht recht begreifen kann, weshalb die Polizei ihn neuerlich in Haft genommen hat.«
Anya wurde von diesem öffentlichen Schauspiel übel, und sie wollte nichts mehr damit zu tun haben. Sie machte sich auf den Weg zu ihrem Auto, und ihr Respekt vor Dan Brody hatte erheblich gelitten. An der Tür nestelte sie mit vor Zorn zitternden Fingern mit den Schlüsseln herum.
»Mist!« Sie ließ die Schlüssel fallen, bückte sich und sah ein Paar roter Stöckelschuhe näher kommen. Sie richtete sich auf und machte sich auf eine weitere Auseinandersetzung gefasst.
»Wir sind noch nicht am Ende. Ich will nach wie vor das Gutachten zum Randall-Mord. Sämtliche Ungereimtheiten, auf die Sie gestoßen sind.«
»Fein. Sollen Sie haben. Aber eines müssen Sie wissen: Wenn Sie wollen, dass ich vor Gericht aussage, dann dürfte das, was ich zu sagen habe, nicht allzu günstig für Willard ausfallen.«
Wie ein Schulmädchen schwenkte Veronica ihr Aktenköfferchen und lächelte – wieder. »Das dachte ich mir. Deshalb wollte ich Sie ja bei diesem Fall an Bord haben.«
Anya verstand nicht. Veronicas Lächeln wurde breiter.
»Ich will es Ihnen erklären. Mir war klar, dass Sie auf Schwachpunkte in Alf Carneys Autopsiebericht stoßen würden. Wir wissen doch alle seit Jahren, dass er eine Witzfigur ist. Solange Sie aber für die Verteidigung arbeiten, wird die Staatsanwaltschaft Sie nicht mal mit spitzen Fingern anrühren. Denen ist klar, welche Anhaltspunkte zu Willards Entlastung Sie aufgedeckt haben, und damit wäre die schöne Prozessstrategie der parallelen Tathergangsmuster natürlich ruiniert.«
»Sie vergessen nur, dass ich es war, die sämtliche Vergewaltigungsopfer untersucht hat.«
Veronica kam einen Schritt näher. »Wir wissen doch alle, wie wenig die medizinische Untersuchung mit dem Ausgang eines Vergewaltigungsprozesses zu tun hat. Seien wir ehrlich, sie ist praktisch irrelevant. Abgesehen davon gibt es immer Sachverständige wie Lyndsay Gatlow, die auf Anfrage nur zu gern ein Gutachten erstellen.«
Himmel! Veronica hatte sie ins Aus manövriert. Sie hatte verhindern wollen, dass sie für die Staatsanwaltschaft aussagte, und hatte ihr eine Falle gestellt. Anya hatte alles getan, was Veronica geplant hatte, mehr sogar.
Veronica nutzte Anyas entsetztes Schweigen aus.
»Wenn ich mich nicht irre, haben Sie einen Ihrer Polizeifreunde bereits über die Unstimmigkeiten im Randall-Mord informiert, denen ist also längst klar, dass Sie die Täterschaft Willards anzweifeln. Es hat ganz den Anschein, als würden Sie für keine der beiden Seiten aussagen.«
Anya biss die Zähne aufeinander. »Verschwinden Sie, bevor ich etwas tue, was mir womöglich nicht leidtut.«
Sie schloss das Auto auf, stieg ein und ließ den Motor an. Die Vision von Veronicas überheblicher Fratze verfolgte sie, als sie schnellstens den Parkplatz verließ.
33
Morgan Tully, die Chefcoronerin, wiegte sich auf dem Ledersessel vor und zurück. Peter Latham saß reglos da, die Ellenbogen auf den Armlehnen, die Zeigefinger vor dem Bart aneinandergelegt. Zur Ablenkung goss Anya sich ein Glas
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