In deinen schlimmsten Träumen: Roman (German Edition)
uns hier den Arsch auf, um Sie da rauszuholen und Sie womöglich sogar vom Randall-Mord freisprechen zu lassen. Ist Ihnen klar, was das heißt? Wenn wir das hinkriegen, dann haben Sie Anspruch auf Entschädigung. In rauen Mengen. Dann können Sie machen, was Sie wollen, gehen, wohin Sie wollen, anstatt den Rest Ihres Lebens hier zu vermodern.«
Er zeigte keinerlei Reaktion auf die Ansprache seiner Anwältin, interessierte sich nur für die Insektenüberreste.
Anya senkte den Kopf, um ihm in die Augen zu sehen. »Ms. Slater will Ihnen helfen. Ich versuche herauszufinden, wie die Flut stand, als Sie sich diese Sendung angesehen haben. Können Sie sich daran noch erinnern, wissen Sie noch, ob die Flut stieg oder fiel, als Sie Eileen am Koonaka Beach fanden?«
Geoff kratzte sich die Handfläche mit dem Daumen der anderen Hand. »Ich hab der Polizei gesagt, ich hab sie totgemacht. Ich hab versucht, denen zu erzählen, wie’s wirklich war, aber keiner hat mir geglaubt. Nicht mal Mum.« Er sah Veronica an. »Jetzt will ich das Bild sehen.«
Veronica zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht, ob ich es dabeihabe.«
Geoffs Kiefer verspannte sich. Er schlug mit der offenen Hand auf den Tisch, und Veronica schrak zusammen, dann zog sie ein Foto aus dem hinteren Umschlag ihres gelben Notizblocks. Es war der passbildgroße Schnappschuss eines Mädchens mit langem, dunklem Haar.
Geoff griff danach und drückte es sich an die Brust. Anya war sich nicht länger sicher, wer hier die Kontrolle hatte. Sie sah sich nach dem Aufseher um, der mit einem anderen Besucher redete.
»Ich habe Ihnen doch versprochen, dass ich es aufhebe und Ihnen mitbringe, wann immer Sie wollen«, beruhigte Veronica ihn. »Aber drohen Sie mir nicht. Niemals.«
Geoff verbarg das Foto an seiner Brust und schmollte.
»Ist das Ihre Freundin?«, wollte Anya wissen.
»Noch nicht, aber sie mag mich. Hat sie selbst gesagt.«
»Darf ich mal sehen?«
Geoff sah Veronica an, die nickte, dann schob er seinen Schatz langsam über den Tisch.
Anya schnappte nach Luft, als sie das Foto sah. Die Haare waren länger, wahrscheinlich war es schon vor einiger Zeit aufgenommen worden. Doch dieses freimütige Lächeln gehörte unverkennbar Melanie Havelock. Und auf der Rückseite stand ihre Adresse.
32
»Himmelherrgott, Sie halten Beweismaterial zur Ermittlung mehrerer Schwerverbrechen zurück.«
»Senken Sie Ihre Stimme«, fauchte Veronica Slater, als sie die letzte Sicherheitsschleuse passierten. »Sie hat es ihm mit einem Liebesbrief selbst zugesteckt.«
In Anyas Schläfen pochte es. »Ganz bestimmt! Die Polizei muss erfahren, dass er das Foto hat.«
»Nun, wir sind leider beide nicht in der Lage, etwas darüber verlautbaren zu können. Was sich eben dort drin ereignet hat, war vertraulich. Wenn Sie Ihren Polizeikumpanen auch nur ein Sterbenswörtchen stecken, wird kein Anwalt dieser Welt Sie je wieder als Sachverständige engagieren.«
Am liebsten hätte Anya Veronica gegen die Wand des Verwaltungsgebäudes geschleudert. »Wie können Sie es wagen? Er hat mir das Foto nicht im Verlauf einer medizinischen Untersuchung gezeigt.«
Veronica ließ es sich auch nicht anmerken, falls Anyas Wut Eindruck auf sie machte. Vielmehr schien sie es zu genießen.
»In gewisser Weise schon. Sie waren da, um seinen Zustand zu beurteilen, und er hat Ihnen sein Traummädchen gezeigt. Hat Ihnen sogar erzählt, dass sie ihn mag. Für mich klingt das doch ziemlich nach einem Wahngedanken, und das ist, wie Sie sich erinnern werden, ein klinischer Terminus.«
»Hier geht es nicht um semantische Haarspaltereien. Er besitzt das Foto eines Vergewaltigungsopfers und ist der Tatverdächtige. Das Bild stellt eine Verbindung zwischen ihm und dem Opfer dar.«
»Werd erwachsen, wir sind hier nicht in Kansas, Dorothy.«
Die Absätze der Anwältin scharrten über den Boden, als sie die Tür zum Verwaltungsgebäude öffnete. Ihr Sarkasmus steigerte noch ihre Widerwärtigkeit, fand Anya, sofern das überhaupt möglich war.
»Sobald eine Kaution gestellt wird, kriegt die Polizei es sowieso mit.«
Die Tür fiel zu, und Veronica drehte sich um. »Ein Mal ist die Kaution ohnehin schon abgelehnt worden. Aber er schwört, er hat das Foto von dem Mädchen selbst bekommen, und ich glaube ihm. Wir wissen doch alle, dass irgendwelche Weiber, die sie nicht alle beieinander haben, gerne mal behaupten, sie wären vergewaltigt worden. Vielleicht hat sie einfach einen Dachschaden. Schon mal daran gedacht?
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