In deinen schlimmsten Träumen: Roman (German Edition)
Kollegin war bereit, nachzuschauen und dann zurückzurufen. Anya bedankte sich und warf einen Blick auf die restlichen Seiten, die Peter Latham gefaxt hatte.
Bei einem Fall von vor sechs Jahren war in ihrem Haus mehrfach auf eine bereits etwas ältere Frau eingestochen worden. Diese Frau hatte Druckstellen an Handgelenken und Knöcheln gehabt, da sie ans Bett gefesselt worden war. Den Verletzungen an Vagina, Uterus und Darm nach war die Arme vor dem Tod mit einem scharfen Gegenstand vergewaltigt worden. Die Details waren entsetzlich. Nach der Vergewaltigung schnitt der Täter ihr die Kehle auf und durchtrennte auf beiden Seiten die Halsschlagadern. Die Stichwunden beschränkten sich nicht auf den Brustbereich, sondern betrafen auch Gesicht und Extremitäten. Ein noch sadistischerer Mord ließ sich kaum denken. Der Mörder hatte sogar auf sein Opfer uriniert.
Als Hayden zurückkam, schob Anya ihm die Seiten zu. Er las schweigend und schüttelte wiederholt den Kopf. »Schwer vorstellbar, was für ein Tier zu so etwas imstande ist«, sagte er.
»Ich bezweifle, dass es derselbe Täter ist. Das Verletzungsmuster ist völlig anders.«
Hayden betrachtete sich den Bericht genauer. »Ganz deiner Meinung. Wie hat Quentin Lagardia unseren Mann doch genannt? Den Gentleman-Vergewaltiger?«
»Stimmt. Relativ gesehen ist er nämlich gar kein so gro ßer Sadist. Wer auch immer das hier getan hat, hat kein Rollenspiel mit der alten Dame gespielt. Alles, was er tat, war wütend, brutal und entwürdigend. Nimm nur das Urinieren. Das ist typisch für einen Wut-Vergeltungs-Vergewaltiger oder einen Wut-Erregungs-Vergewaltiger.«
»Unser Mann dagegen bringt sie nicht um, wenn er sie vergewaltigt. Und diejenigen, die erstochen wurden, sind, soweit wir wissen, nicht gleichzeitig vergewaltigt worden, abgesehen von Eileen Randall vielleicht, aber das könnte, ihrem Ruf nach, auch im gegenseitigen Einverständnis geschehen sein.« Er atmete tief durch und massierte sich die Stirn. »Diese alte Dame war schon tot, als sie die Tür aufmachte.«
Wie auch immer, Anya würde sich besser fühlen, wenn Hayden überprüfte, ob jemand für den Mord an der alten Dame zur Rechenschaft gezogen wurde.
Als hätte er ihre Gedanken erraten, sagte er: »Ich werd’s trotzdem mal nachprüfen, nur um sicherzugehen, dass ich keine vorschnellen Schlüsse ziehe.«
In der Handtasche klingelte Anyas Handy. Beim fünften Klingeln hatte sie es endlich gefunden.
»Danke für den Rückruf … Sie wurde? … Sie hat? Am zwölften Juni? … Hervorragend. Wegen der Einzelheiten muss ich später noch mit ihr reden. Vielen Dank.«
Eine Therapeutin klopfte an die Tür.
»Tut mir leid, dass ich störe, aber die Meldung kam eben rein. Es kommt eine Frau, die zwei Tage lang gefesselt gefangen gehalten wurde. Sie wird auf der Unfallstation aufgenommen. Wenn es ihr nicht zu schlecht geht, schicken sie sie rüber, ansonsten möchtest du sie bitte dort untersuchen«, berichtete sie. »Ich hab euch das hier mitgebracht.« Sie hatte einen Teller mit einem Berg butterbestrichener Teebrötchen dabei.
»Gut, danke.« Schlagartig hatten Anyas Kopfschmerzen sich verschlimmert. Das würde Stunden dauern.
Hayden lächelte und nahm der Therapeutin mit einem Dankeschön den Teller ab.
»Ich glaube, die werden uns beiden guttun«, sagte er und biss ins erste Brötchen. »Wenn wir davon ausgehen, dass Dorman und Turnbull von ein und demselben Täter ermordet wurden, dann kann es nicht Willard gewesen sein. Er saß damals hinter Gittern. Wenn wir kein handfestes Bindeglied zwischen Turnbull und Liz Dorman auftreiben, dann muss Geoff Willard sich auf lebenslange Haft einrichten, und ich werde höchstwahrscheinlich von dem Fall abgezogen.«
Um ein Haar hätte Anya es vergessen. »Der Anruf gerade kam aus Newcastle. Leonie Turnbull hatte wohl einen guten Grund, sich so plötzlich aus dem Staub zu machen. Vier Tage vor ihrer Ermordung wurde sie nachts vor der Klinik vergewaltigt.«
39
Erschöpft und mit schmerzenden Muskeln schnallte Anya Braunauges sterbliche Überreste auf die Rückbank, setzte sich dann ans Steuer ihres Corolla und drückte instinktiv auf die Zentralverriegelung. Alles, wonach sie sich sehnte, war ein Bad: ein ausgedehntes Vollbad und zehn Stunden Schlaf.
Das Handy klingelte. Sie schloss die Augen und wollte nicht drangehen, dann aber sah sie doch auf die Rufnummernanzeige, vielleicht war es ja etwas Wichtiges. Elaine. Sie hatte sich den ganzen Tag nicht bei ihrer
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