In deinen schlimmsten Träumen: Roman (German Edition)
Randall und diese andere gar nicht umgebracht hat.«
»Was?«, sagte sie und hielt sich den Bauch. »Aber er ist es gewesen. Er ist sogar eingebrochen bei uns. Weiß Gott, was er getan hätte, wenn Nick und Luke nicht gekommen wären. Wir wissen doch, wie er ist.« Ihre Stimme überschlug sich, und sie begann zu hyperventilieren. »O mein Gott, die Wehen.«
Anya nahm ihr das Getue nicht ab. »Wahrscheinlich hat sich das Baby nur bewegt.«
»Ich weiß, dass du furchtbare Angst hattest.« Mrs. Willard führte Desiree zur Couch. »Aber er hat dir nichts getan. Er hat nur eine Weile untertauchen wollen. Vielleicht hat er sich nach all der Zeit ja doch geändert.« Sie strich sich die Schürze glatt. »Ich geh nur schnell nach dem Essen schauen. Und dann helfe ich dir beim Zusammenlegen, und wir bringen dich heim.« Sie wandte sich an Anya.
»Doktor, würde es Ihnen etwas ausmachen, kurz bei Desiree zu bleiben, nur um sicherzugehen, dass auch alles in Ordnung ist?«
In den wenigen Tagen, die sie Geoffs Mutter kannte, schien sie um Jahre gealtert zu sein. Nick war offenbar verstimmt und ging aus dem Zimmer. Die Tante folgte ihm in die Küche, und Desiree beruhigte sich.
Anya verspürte mehr denn je den Drang, zur Tür hinauszurennen, als die Meute auf dem Bildschirm in Schreien und Winken ausbrach.
»Haben Sie’nen Freund?« Desiree hing offenbar noch ein Stück Essen an einem Zahn.
Anya wurde rot. »Ich bin eigentlich wirklich nur gekommen, um Nick den Hund zurückzubringen.«
Der Radau aus dem Fernseher wurde lauter, als einige Leute aus dem Publikum den beiden Kandidaten wild gestikulierend Zahlen zuriefen.
»Ich könnt’s Ihnen ja nicht verdenken, wenn Sie’ne Heidenangst davor hätten, sich auf’ne Beziehung einzulassen. Männer sind manchmal echte Arschlöcher.« Sie rieb sich wieder den Bauch, und ihr T-Shirt bewegte sich, wahrscheinlich unter einem Tritt des Babys. »Ich hab zum Glück’nen guten abgekriegt. Wir haben geheiratet, sobald klar war, dass das Kleine unterwegs ist, bevor ich so auseinandergegangen bin.«
Dem Umfang von Desirees Armen und ihrer breiten Hüfte nach war sie auch davor nicht eben zierlich gewesen. Und das, was da an ihrem Zahn hing, war kein Essen. Es war eine Art Kristall, der in den Zahnschmelz eingelassen war.
»Gratuliere«, stammelte Anya und ging rückwärts zur Tür.
»Nick ist ein klasse Typ«, fuhr Desiree fort. »Sie könnten’s wesentlich schlimmer treffen. Außerdem kann er toll küssen.«
»Das glaube ich gern«, entfuhr es Anya, die sich fragte, weshalb sie so etwas sagte. »Ich muss jetzt wirklich gehen.«
Desiree wollte sich eben von der Couch hochstemmen, aber Anya machte ihr Zeichen, dass sie sich nicht bemühen solle.
»Ich bring Sie raus.« Sie lächelte und wälzte sich zur verriegelten Tür. Als Anya auf die Veranda hinaustrat, meinte Desiree leise: »Von Frau zu Frau, ich hoffe, Sie finden einen.« Dann drückte sie den Rücken durch und rieb sich den Bauch.
»Ich weiß, dass dieses Kleine mir Schmerzen bereiten wird. Tut es ja längst: Morgenübelkeit, Rückfluss und Rückenschmerzen. Und nach den Hämorrhoiden brauchen Sie gar nicht erst fragen.«
Anya hatte es nicht vor.
»Und was man so hört, wird die Geburt die Hölle werden. Aber da muss ich einfach durch, damit ich dieses Kind bekomme.« Sie rieb sich den Nacken, als wolle sie einen Schmerz wegmassieren. »Wissen Sie, meine Freunde daheim haben immer einen echt cleveren Spruch gehabt. ›Wer keinen Schmerz spürt, spürt keine Liebe.‹«
Bevor Anya noch etwas sagen konnte, war die Tür ins Schloss gefallen.
40
Anya blieb neben ihrem Wagen stehen. Desirees Worte hallten ihr durch den Kopf.
Wer keinen Schmerz spürt, spürt keine Liebe .
Wusste Desiree, dass der Vergewaltiger diesen speziellen Satz gebrauchte? Wollte sie Anya etwas mitteilen? War sie selbst vergewaltigt worden? Hatte sie damit ausdrücken wollen, dass das Baby die Folge des Verbrechens war?
Die Worte waren verstörend. Es war nicht das, was man von einer werdenden Mutter gemeinhin erwartete. Sie fuhr los und fragte sich, ob Desiree sie vor Geoff oder Nick hatte warnen wollen. Bei diesem Gedanken sah sie in den Rückspiegel, um sich zu vergewissern, dass niemand ihr folgte. Minuten vergingen, und erst als sie bei Gelb über eine Ampel gefahren war, beruhigte sie sich wieder. Sie fragte sich, warum sie sich so bedroht gefühlt hatte. Und warum hatte Desiree von den »Freunden daheim« gesprochen? Welche Freunde, und
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