In deinen schlimmsten Träumen: Roman (German Edition)
Unrecht wiedergutzumachen?«
Peter runzelte die Stirn. »Ich glaube, ich habe dir viel zu viel beigebracht.« Noch einmal ließ er den Blick über die Berichte schweifen und kratzte sich den Bart. »Na schön, was soll ich tun?«
38
Am Montagnachmittag kam Hayden Richards ins Zentrum für sexuelle Übergriffe. Anya hatte eben die Untersuchung einer Achtjährigen beendet, die mutmaßlich vom Lebensgefährten der Mutter missbraucht worden war. Die Hausärztin hatte das Mädchen überwiesen, nachdem ihr Merkwürdigkeiten im sexuellen Verhalten aufgefallen waren, die Mutter allerdings weigerte sich, ihren Freund zu verlassen. Das Jugendamt wollte das Mädchen noch am selben Nachmittag an eine Pflegefamilie überstellen.
Unterstützt von einer Krankenhausgynäkologin hatte Anya sich für die Untersuchung des Mädchens doppelt so viel Zeit als sonst genommen. Die beiden waren einer Meinung, und die Tragweite ihrer Entscheidung war ihnen beiden bewusst. Bliebe das Mädchen in ihrer jetzigen Umgebung, würde es weiteren Missbrauch erdulden müssen, das Kind aber wollte nicht von der Mutter getrennt werden.
Anya klang noch das Weinen des Mädchens in den Ohren, als es erfahren hatte, dass es in eine Pflegefamilie käme. Sie überprüfte die Beweislage ein zweites und drittes Mal. Die Fotos waren unscharf und halfen nicht weiter.
»Du siehst aus, als hättest du gerade deinen letzten Penny verloren«, meinte Hayden, als er an die offene Tür klopfte.
»Mit einem Mal stellen wir uns alle selbst in Frage und können nur hoffen, dass wir die richtigen Entscheidungen treffen.« Ihr pochte der Schädel, und sie massierte sich die Druckpunkte an der Schädelbasis, um sich Linderung zu verschaffen, doch das machte den Schmerz nur noch schlimmer.
»Ist das denn so schlecht?« Er lehnte sich mit einer Videokassette in der Hand an die Tür. »Willst du darüber reden? Ich bin ein ziemlich guter Zuhörer.«
Sie winkte ihn herein und legte den Kopf in die Hände. »Ich habe eben ein Kind von seiner Mutter getrennt. Und wenn das nun das Falsche war?«
»Niemand ist unfehlbar. Von daher solltest du diese Unterhaltung vielleicht besser mit Sorrenti führen.«
»Apropos, wie hast du’s denn geschafft, dass sie dich von der Leine lässt?« Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, da taten sie ihr auch schon leid.
Zum Glück zog Hayden nur die Augenbrauen hoch und setzte sich. »Es ist tatsächlich ein bisschen so, vor allem seit Willards Verhaftung. Sofern das Urteil im Randall-Mord nicht revidiert wird, wird er für den Mord an Dorman in U-Haft bleiben. Die Parallelen sind viel zu massiv, als dass irgendein Richter ihn auf freien Fuß setzen könnte. Außerdem will Sorrenti ihm auch deine Messer-Vergewaltigungen anhängen. Sie weigert sich, irgendwelche weiteren Verdächtigen in Betracht zu ziehen.«
Er sah so aus, wie Anya sich fühlte. Müde, desillusioniert und verärgert. Wie einer, dem das Feuer abhanden gekommen ist, was auch immer das war. Anya betrachtete ihn. Jedes Mal, wenn sie sich sahen, hatte er wieder ein paar Pfund abgespeckt. Ganz kurz fragte sie sich, ob er bei guter Gesundheit war oder ob es womöglich einen Grund für diesen gravierenden Gewichtsverlust gab. Ob wirklich nur die Angst vor Krebs dahintersteckte.
Dann dachte sie an Meira Sorrenti. Es war sicher nicht leicht, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der so viel weniger über die Ermittlung bei Sexualverbrechen wusste.
»Wir stehen wohl alle ziemlich unter Druck«, sagte sie und hob den Kopf. »Also, was bringt dich in den angenehmeren Teil der Stadt? Willst du mir mitteilen, dass Melanie den Brief geschrieben hat?«
»Nein, die Handschrift ist nicht dieselbe. Wir haben auch eine Hand voll Vergewaltigungen mit ähnlichem Muster ausgegraben, aber es ist gar nicht leicht, die Opfer ausfindig zu machen.« Hayden warf die Kassette hoch und fing sie wieder auf. »Um dich aufzuheitern, habe ich dir Geoff Willards Geständnis mitgebracht.«
»Na dann.« Es musste etwas Ungewöhnliches daran sein, sonst hätte er sich nicht die Mühe gemacht. Anya ging in ein anderes Zimmer und holte einen tragbaren Fernseher mit eingebautem Videorekorder. Sie stellte ihn auf den Schreibtisch, schaltete ihn ein und schob die Kassette hinein.
Zu sehen war ein jugendlicher Willard in Schwarzweiß. Die Aufnahmequalität war schlecht, aber sie konnte erkennen, dass er an einem Schreibtisch in einem Polizeirevier saß. Der Polizist in Uniform – ein jüngerer, dünnerer Charlie
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