In deiner Hand
sie Erik. Ich fand ihre Wortwahl nicht besonders angebracht. Sie sollte dringend einen „Mut zureden leicht gemacht“-Kurs belegen. Erik gab einen erstickten Laut von sich. Ich spürte seine aufgewühlten Gefühle. Alle durch die Reihe Weg so negativ wie die sternenlose Nacht schwarz. Schuldgefühle plagten ihn, Angst, Enttäuschung und tiefe Traurigkeit, ja sogar Hoffnungslosigkeit hatte sich in
seinem Herzen festgesaugt. Prima!
Er sollte ruhig leiden, immerhin hatte er mich angefallen wie ein Tier! Jeder der halbwegs bei Verstand gewesen wäre, hätte meine Wunde abgedrückt oder mir zumindestens den Arm abgeschnürt, damit mein Blut auch blieb wo es hingehörte. Wieder ein entscheidender Unterschied zu uns Menschen. Erik hatte meinen Lebenssaft geschlürft anstatt erste Hilfe zu leisten. Schlichtweg angewidert ob der Erinnerung verzog ich den Mund und öffnete die Augen. Mir war scheißkalt und als ich die Decke unter den Blicken aller Anwesenden zur Seite schlug, wurde mir noch kälter. Ich sah mich kurz um, registrierte die Anwesenheit von Donna, Brian, Erik, Jenks und dem Rollstuhlblutsauger, sowie dem Wurstkopf, vermied es jedoch ihnen direkt in die Augen zu sehen. Erik wich sofort ein paar Schritte von mir fort.
„Es tut mir so leid, Verry!“, würgte er hervor.
„Das muss es nicht!“, pflaumte Jenks ihn an. „Das ist deine Natur! Ohne ihr Blut wärst du gestorben!“
Donna zwinkerte mir zu als unsere Blicke sich kurz trafen. Sie saß völlig entspannt und mit überschlagenen Beinen auf einem Stuhl neben Brian. Meine Augen streiften nur kurz das schwarze Hemd, das er trug, doch sofort schnellte mein Puls in die Höhe. Der Monitor schrillte ohrenbetäubend und ich begann mir ungestüm die blöden Elektrodenpflaster von der Haut zu reißen.
„Verry! Ich hab das alles nicht gewollt“, begann Erik wieder. „Es tut mir so wahnsinnig leid! Das musst du mir glauben!“
Er klang völlig verzweifelt und zerwühlte sich grob die Haare als ich ihn nicht beachtete. Ich kletterte mit roten Wangen aus dem Bett und wollte mich an dem Rollstuhlfahrer vorbeiquetschen, der mich am Handgelenk zurückzog.
„Warte einen Augenblick!“ Er hielt mich fest, aber nur ganz leicht, und löste die Blutdruckmanschette von meinem Arm. Der Monitor begann wieder zu schrillen, dieses Mal jedoch, weil kein Lebenszeichen mehr zu erkennen war.
„Danke“, hörte ich mich sagen und ärgerte mich maßlos darüber.
Auf seinem aschfahlen Gesicht bildete sich ein müdes Lächeln. Mir fiel wieder ein, dass jemand versucht hatte ihn zu zerreißen und er deswegen im Rollstuhl saß. War er zu Jenks gekommen, in der Hoffnung der könne ihn wieder zusammenflicken?
Urplötzlich schossen mir die Gesichter der Vampire durch den Kopf, die mir bis dato über den Weg gelaufen waren und ich begann mich zu fragen, welche Geschichten ihre Leben wohl zu erzählen hatten. Ich verwarf diesen Gedanken sofort wieder. Sie interessierten mich nicht! Ich musste endlich einen Schlussstrich ziehen!
„Ich gehe.“ Es war keine Frage, kein Bitten um Erlaubnis. Trotzdem schnaubte Jenks spöttisch und schüttelte den Kopf. „Du wirst wiederkommen, darauf kannst du Gift nehmen!“ Mit jeder Sekunde wurde mir der weißhaarige Blutsauger unsympathischer. Mir gefiel ganz und gar nicht, dass er dazu bereit gewesen war, mein Leben zu opfern um Erik zu retten. Wie viele Sterbliche hatte der Arzt wohl auf dem Gewissen? Ganz sicher mehr als Brian und Erik zusammen! Ich entschied, gar nicht erst auf seinen Kommentar einzugehen und wandte mich direkt an Erik, der das mit einem erschrockenen Blick quittierte.
„Wo ist der Ausgang?“, wollte ich wissen.
„Ich … ich … eh … Onyx … will dich … will dich noch sehen“, stammelte er.
„Wo ist der Ausgang, Erik?“, wiederholte ich ernst und kniff die Augen zusammen. Er senkte den Blick, stieß sich von der Wand ab und meinte leise: „Ich bring dich nach oben.“
„Erklär mir einfach den verdammten Weg“, schnauzte ich.
„Hach, Leute!“ Donna erhob sich von ihrem Stuhl, klatschte grinsend in die Hände und rieb die Handflächen aneinander. „Ich bring sie nach oben!“
„Oh Gott, bitte nicht“, stöhnte Jenks genervt und auch Brian murmelte irgendetwas Unverständliches.
„Was habt ihr nur?“, fragte sie sichtlich gut gelaunt, kam um das Bett herum und hakte sich bei mir ein. „Komm, Süße. Ich führ dich ein bisschen herum!“ Sie grinste noch breiter und entblößte ihre schneeweißen Reißzähne. In mir
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