In deiner Hand
Garten keine Anzeichen eines Kampfes gefunden, wohl aber eine gewaltige Blutlache dort, wo Donna zuletzt saß.
Ich saß an Mums Bett in der Notaufnahme, hielt ihre Hand und sah sie an ohne sie wirklich wahrzunehmen. Donna war gestorben und ich hatte es einfach nicht kapiert! Ich war in ihren letzten Minuten bei ihr gewesen und hatte zugelassen, dass sie starb, wo ich ihr doch hätte helfen können. Auch wenn Jenks meinte, dass jede Hilfe zu spät gekommen wäre, ich hasste mich so sehr für die Abneigung, die ich ihr gegenüber empfunden hatte.
Wenn ich jetzt an die Angst in Donnas Stimme dachte, an die Verzweiflung darin, an die leise gewisperten Worte, an die gutgemeinten Ratschläge, hasste ich mich noch mehr.
„Wieso weinst du denn?“, riss mich Mums schwache Stimme aus meinen düsteren Gedanken. Sie streichelte mir sanft lächelnd über die Wange und sah mich mit ihren schönen grünen Augen fragend an.
„Ich mach mir nur Sorgen“, gab ich zu ohne ins Detail zu gehen.
„Worüber, Liebes?“ Auf ihrer Stirn bildeten sich Runzelfalten. Ich konnte ihr ja schlecht die Wahrheit sagen, also begann ich mit dem Naheliegendsten.
„Um dich“, wisperte ich und küsste sie auf die Stirn. Ihre Hand umfasste meine fester und ihre Augen begannen zu glänzen.
„Alles wird gut, Verry. Das verspreche ich dir. Auch wenn … auch wenn ich …“ Sie zog die Hand zurück und legte sie über der Decke auf ihren Bauch. „Wenn ich wieder zu Hause bin, Liebes, dann müssen wir uns unterhalten.“
Sie sah zu mir. „Es gibt etwas sehr Wichtiges, das ich dir sagen muss.“ Mum schniefte leise. „Ich hätte dir schon viel früher davon erzählen müssen, aber ich hatte immer gehofft, dass sich niemals eine Gelegenheit zeigt, die mich dazu zwingt. Doch ich befürchte die Zeit holt mich ein.“
Sie sah mich traurig an und streichelte über ihren Bauch. „Es gibt etwas in unserer Familie … etwas Wichtiges … ich habe solche Angst davor, dir das alles zu sagen … ich will dich als meine Tochter nicht verlieren, verstehst du das? Doch je länger ich zögere und versuche ein normales Leben zu leben, desto gefährlich wird es für dich. Eines Tages … es kann so plötzlich geschehen … wir müssen unbedingt reden ja?“
Mich beunruhigte ihr flehender Ton und ihre Hand, die sich fast panisch um meine Handgelenke krallte, aus Angst, ich könne mich in Luft auflösen und sie allein lassen.
„Ach Mum! Übertreib doch nicht so! Ich werde dich niemals allein lassen. Das weißt du doch!“
Sie sah mir in die Augen, die ihren eigenen so sehr glichen. Zweifel schimmerte darin. „Nichts ist so wie es scheint, Verry“, flüsterte sie voller Furcht. „Verstehst du? Ich habe dich so lange angelogen … und es tut mir so wahnsinnig leid. Ich habe Angst davor, dass du mir nicht glaubst, dass du mich für verrückt hältst … aber mir bleibt keine Zeit mehr, Liebes … du musst es einfach erfahren …“
Sie drückte meine Hand fester und riss die Augen auf.
„Mum! Beruhige dich wieder“, begann ich, doch sie fuhr mir über den Mund.
„Du darfst jetzt nicht in Schwierigkeiten geraten, hörst du? Geh jedem Ärger aus dem Weg, bis ich zu Hause bin. Leg dich mit keinem Schulfreund an und auch nicht mit diesem idiotischen Postboten. Du darfst dich nicht aufregen, hörst du. Reg dich nicht auf! Am besten … ich habe diese CDs, Entspannungsmusik, Schatz. Hör sie dir an, lass sie den ganzen Tag laufen. Du bist in einem schwierigen Alter. Du darfst nicht in Rage geraten. Mach ein wenig Yoga, ja?“
„Mum? Yoga? Willst du mich verarschen?“, prustete ich los.
„Dann meditier wenigstens ein bisschen“, hauchte sie. Ihre Lider begannen zu flackern. Aus den Augenwinkeln sah ich Jenks, der ihr gerade irgendetwas in den Infusionsschlauch spritzte. Vermutlich um sie wieder zu beruhigen. Mir passte gar nicht, dass er das Gespräch mit anhörte.
„Behalte die Kontrolle, Liebes“, flüsterte Mum noch, ehe ihr Kopf auf die Seite sackte und sie leise zu schnarchen begann. Jenks beobachtete mich eingehend, ehe er den Raum verließ und die Tür wieder hinter sich schloss. Ich saß einfach nur da, starrte Mums entspannte Gesichtszüge an, die im krassen Kontrast zu ihrer Aufgebrachtheit standen. Bestimmt vertrug sie irgendwelche Medikamente nicht. Denn Mum war immer beherrscht und entspannt, nichts konnte sie aus der Ruhe bringen.
Auch nicht der Tod ihres Babys?,
flüsterte es in meinem Kopf. Ich strich ich ihr die blonden Strähnen aus der Stirn und
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