In deiner Hand
er in mir sah, dass er darüber hinweg sehen konnte? Und was war an ihm, das mich durch Eriks Verbindung so sehr beeinflusste, dass ich zum Ende hin gar keine Einwände mehr erhob?
Erik hatte völlig Recht. Brian war nicht nur eine Nummer zu groß für mich. Brian war Erwachsen … und er gehörte Erik … ganz gleich ob er dessen Liebe erwiderte. Wie sagte man doch so schön -
Ich hab ihn zuerst gesehn
! Trotzdem … es tat so schrecklich weh …
Langsam stieg ich die Treppenstufen hinab, ging durch die Küche zur Veranda. Ich spürte kaum den Weg, den meine Füße einschlugen, bis ich schließlich mitten im Garten stehen blieb. Ich wusste nicht wohin ich gehen wollte und irgendwie fehlte mir auch die Lust, mich zu bewegen. Ich wollte einfach nur dastehen und in die Sterne sehen. Mit in den Nacken gelegtem Kopf sah ich nach oben und atmete die warme Luft ein. Ich fand keinen einzigen Stern, sah nur zur undurchdringlichen Wolkendecke empor, über die ab und an Blitze zuckten. Der Donner drang kaum noch bis an meine Ohren. Bald würde die Sonne wieder aufgehen, ein neuer Tag heranbrechen. Was mir missfiel. Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich so … so … einsam. Wirklich und wahrhaftig einsam.
Ich spürte keine Hoffnung mehr in mir, keine Wiedersehensfreude, wenn ich Mum Morgen im Krankenhaus besuchen würde und so tun musste, als sei alles in Ordnung. Ich wollte Annie nie wieder sehen und Charles trauriges Gesicht konnte ich noch weniger ertragen. Hier und jetzt mit der Nacht zerfließen und bei Tagesanbruch zwischen den Grashalmen Sterben, ausgelöscht von der Sonne, mehr wollte ich nicht. Mum würde schon wieder zu sich finden, sie hatte Charles, der sie abgöttisch liebte. Die anderen interessierten mich gar nicht. Sollte doch jeder sein beschissenes Leben leben und mich damit zufriedenlassen.
Die Vorstellung, über ein Brückengeländer zu klettern und einfach in die Tiefe zu springen, kam mir so verlockend vor, dass ich in Erwägung zog, die nächstliegende aufzusuchen. Was hatte das Leben noch für einen Sinn, wenn man nicht mehr Herr seiner eigenen Gefühle war? Wenn man gesteuert wurde, unbeabsichtigt oder mutwillig, was machte das noch für einen Unterschied? Der Fluch hatte uns beiden die Freiheit geraubt, Erik und mir. So echt sich alles anfühlte und mit jeder Sekunde an Intensität gewann, so vernichtend doch die Tatsache. Ich konnte einfach nicht glauben, dass all diese Dinge, die mir in Brians Nähe durch den Kopf schossen, dieser Drang, ihn zu berühren oder einfach nur bei ihm zu sein, von Erik herrührten.
Ich ließ mich auf dem Boden nieder und streckte alle Viere von mir. Die Stille, die mich umgab, ließ mir blöderweise noch mehr Raum für mein gequältes Herz, für den Schmerz in meiner Brust, in meinem Kopf und alles fühlte sich noch viel schrecklicher an. Doch ich wich nicht zurück, ich blieb liegen, bohrte die Finger tief ins Gras und öffnete jede Tür in meinem Kopf, ließ jedes Gefühl freien Lauf, ließ alles auf mich einpreschen und hielt dabei die ganze Zeit über den Atem an.
Wenn man glaubt, dass die Verzweiflung irgendwann verebbt und unter einem im Erdboden versinkt, drauf geschissen. Es wird nicht besser!
Je mehr ich alles zuließ, desto heftiger wurde das Reißen in meinem Brustkorb, der Schmerz in meiner Seele, der mir erneut die Tränen in die Augen trieb. Völlig entwürdigt lag ich im Garten und weinte leise vor mich hin. Dass ich beobachtet wurde, ahnte ich schon die ganze Zeit, doch als Donnas Stimme nun durch die Dunkelheit an meine Ohren drang, hatte ich Gewissheit.
„Es tut weh, nicht wahr?“ Ich sagte dazu nichts. „Das tut es immer“, flüsterte sie irgendwo von den Bäumen her. Sie seufzte leise und ächzte, so als hüpfe sie von einem Ast auf den Boden. „Man sagt, das erste Mal tut am Schlimmsten weh …“
Sie machte eine lange Pause.
„Aber wenn du mich fragst, ist es jedes Mal genauso schmerzhaft.“ Ich lauschte ihrer schwachen Stimme und ließ die Worte auf mich wirken. „Manchmal wünscht man sich, alles wäre anders gelaufen. Manchmal … manchmal … man verliert sich schnell darin, man gibt zu schnell auf.“ Sie atmete tief und zischend ein und als sie sprach, bebte ihre Stimme auf merkwürdige Weise.
„Hast du alles mitbekommen?“, wollte ich wissen.
„Das Wichtigste“, murmelte sie und seufzte wieder. „Du“, sie lachte leise und hustete, „du darfst nur die Hoffnung nicht aufgeben.“
„Die Hoffnung worauf denn?“
„Auf
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