In deiner Hand
auf einen Menschen stürzte. Unwillkürlich schüttelte ich mich.
„Schatz?“ Mum sah mich jetzt besonders aufmerksam an, dabei legte sie für gewöhnlich den Kopf schief, was sie heute aber nicht tat. Was bedeutete, dass sie sich ernsthafte Sorgen um mich machte. Na toll! „Du bist ganz schön blass!“ Sofort fühlte ich mich krank und irgendwie glühte meine Stirn, oder? „Hast du schlecht geschlafen? So früh warst du noch nie auf den Beinen! Als ich aufgewacht bin, war deine Betthälfte ganz kalt.“ Hatte ich erwähnt, dass mir überhaupt nicht gefiel, wie haarscharf sie in letzter Zeit beobachtete?
„Wie gesagt. Hat alles gejuckt, die ganze Nacht. Hat mich wahnsinnig gemacht.“ Mum musterte mich ruhig, das Kinn auf ihre Hände gestützt.
„Erzähl mir davon!“, bat sie.
„Wovon?“ Ich konzentrierte mich auf den frisch gepressten Orangensaft und trank in langen Zügen. „Was bedrückt dich? Woran denkst du die ganze Zeit?“
Ich verwandel mich wahrscheinlich in einen Blutsauger, Mum! Aber das kann ich dir nicht sagen, weil du mich in die Klapsmühle stecken würdest.
„Nur die Schule“, murmelte ich und stellte das Glas vorsichtig zurück auf den Tisch. Wieder rückte ich den Stuhl ein bisschen zur Seite.
„Nur die Schule?“ Forschend runzelte sie die Stirn, dabei kreiste einer ihrer Finger gedankenverloren über den Rand ihres Saftglases. „Oder denkst du an jemanden … aus der Schule?“ Sie formulierte die Frage ganz vorsichtig und obwohl es drei Kanditaten gab, auf die sie hätte anspielen können, wusste ich sofort, von wem sie eigentlich sprach.
„Du glaubst mir nicht, oder?“ Enttäuscht erwiderte ich ihren festen Blick. „Gadget und ich, da … da läuft nichts, Mum! Der Kuss hatte wirklich überhaupt nichts zu bedeuten!“
„Das weiß ich“, meinte sie nur, senkte aber nicht den Blick und hielt somit weiter am Thema fest. „Aber du wünschtest dir, dass es so wäre? Dass er etwas bedeutet hätte. Hab ich recht?“
Jetzt geht das schon wieder los!
Ich lachte und schüttelte den Kopf. „Das ist doch lächerlich, Mum! Der Typ ist uralt!“ Was in der Tat stimmte. Wahrscheinlich hatte Gadget schon hunderte von Jahren auf dem Buckel!
„Dann ist es dieser Junge!“ Wie ich es hasste, wenn sie sich an etwas festbiss.
„Nein. Es ist auch nicht Erik.“
„Du nennst ihm beim Vornamen?“ Mum hob überrascht eine Augenbraue.
„Hab ich?“ Etwas verdutzt sah ich sie an. „Ist doch auch egal…“
„Dann ist es eben diese Ärztin!“, entschied Mum und faltete mit einer unzufriedenen Miene die Hände auf ihrem Schoß. „Du bist in Gedanken bei einer Frau!“
„Eh …“
„Nein! Nein, schäm dich bitte nicht dafür!“ Sie hob beschwichtigend die Hände. „Du steckst mitten in der Pubertät. Die Hormone sind eine schauderhafte Sache und es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis man sie im Griff hat!“
What the fuck?
„Außerdem sieht sie wirklich sehr gut aus!“
„Gestern hättest du ihr am liebsten die Fresse eingeschlagen!“, erinnerte ich sie.
Mum lachte nervös. „Ach Blödsinn! Ich war nur in Sorge um meinen Liebling!“ Sie langte über den Tisch und kniff mir sacht in die linke Wange. Dann seufzte sie leise. „Eine Frau also …“ Wie kam sie nur immer auf diese abwegigen Gedanken? Linda und ich? Niemals!
„Ach Mum … lass uns einfach das Zeug zusammenpacken, okay?“ Der Appetit war mir vergangen und ich sehnte mich einfach nur nach Natur und frischer Luft. Ich wollte raus aus diesem einengenden Gebäude. Allmählich nervte mich auch die Tatsache, dass ich ständig mit dem Rücken an der Wand entlang durch das Haus ging. Erik … Haiss hatte mir versichert, dass Malik nicht herein kommen konnte. Davon abgesehen war es helllichter Tag! Warum nur Malik nicht ins Tageslicht konnte, blieb mir allerdings ein Rätsel. Oder sollte ich es komisch finden, dass Vampire bei strahlendem Sonnenschein umher spazierten? Vielleicht sollte ich mich demnächst auch einmal der Frage stellen, was Vampire in einer Schule zu suchen hatten. Was veranlasste Gadget dazu, über Jahre hinweg einen Lehrer zu mimen? Warum tat Haiss als sei er ein Schüler? Was bezweckten die beiden bloß damit? Ich stiefelte nach oben in mein Zimmer und kramte eine leichte Strickjacke aus dem Schrank. Gerade wollte ich wieder nach unten gehen, da fiel mein Blick auf das nagelneue Skateboard. Es lugt halb unter meinem Bett hervor. Ganz plötzlich pochte mein Herz unerträglich schnell. Mit angehaltenem Atem ging
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