Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
Vom Netzwerk:
Eingeweiden, wie eine schlechte Mahlzeit, die Sodbrennen verursacht.
    Aber - zu spät. Ich hörte das unverkennbare Klicken vor der Cafeteria. Es war schwach, wurde jedoch bei jedem Mal stärker, wie ein Herzschlag. Das war mir so vertraut wie die Herzen der Jungs, die heiß an meine Haut schlugen.
    Grant schob die Doppeltüren auf und stützte sich schwer auf seinen Gehstock aus Eiche. Es war wie in einem alten Western-Saloon. Die Gespräche wurden ruhiger, Stühle scharrten über den Boden, als sich die Männer und Frauen umdrehten und uns anstarrten. Ich spürte die Macht dieser Blicke wie eine lebende Waffe, und das bereitete mir ebenso viel Unbehagen wie jedes Versprechen auf Tod. Ich hätte eigentlich daran gewöhnt sein sollen. Grant hatte immer diese Wirkung auf Menschen.
    Und auf Dämonen. Ich warf einen kurzen Blick auf die drei Zombies, die ihn beinahe ehrfürchtig ansahen, mit einer Hingabe, die ich vielleicht bei Gemeindemitgliedern während eines Gottesdienstes erwartet hätte. Selbst das Flackern ihrer Auren wurde in Grants Gegenwart ruhiger, so als könne allein sein Anblick schon die Dunkelheit ihrer Natur aufhellen.
    Das war aber sowohl sonderbar als auch beunruhigend. Ich tötete Dämonen - und ich tötete sie, weil man mich gelehrt hatte, dass sie gefährlich waren. Und das waren sie auch. Ich
tötete sie ohne Gewissensbisse, weil ich glaubte, dass sie kein Gewissen hatten; sie waren unverbesserlich, weniger wert als eine Fliege oder eine Zecke. Ich glaubte das immer noch. Selbst nach all dieser Zeit konnte ich die Archie Limbauds dieser Welt nicht mit diesen Kreaturen hier in Einklang bringen, die ganz genau so waren. Aber sie waren freiwillig hier, um nämlich etwas anderes zu werden, etwas … Besseres.
    Grant machte alles kompliziert.
    Er war ein großer Mann mit kräftigen, breiten Schultern, die das weiche, verwaschene grüne Flanellhemd spannten. Kürzlich erst war er beim Friseur gewesen, aber sein braunes Haar wirkte immer noch zerzaust. Es bildete einen schönen Kontrast zu den harten Linien in seinem Gesicht, zu den Falten um seine Augen und zu seinen Lippen, die sich zu einem Lächeln verzogen hatten.
    Der Riemen seines Flötenkastens hing über seiner Brust, und ich erhaschte einen Blick auf ein Stück glänzendes Holz hinter seiner Schulter; es war ein neues Instrument, das er selbst geschnitzt hatte. Es erzeugte eine traurige, heisere Musik, die ich gern in der natürlichen Kapelle des Waldes dort draußen vor der Stadt gehört hätte, in der Nähe des Meeres. Es war die Musik des Morgengrauens. Silberne Musik, so sanft wie der Nebel, der einen Wall zwischen Ozeanwellen und Fels und Blättern errichtete. Diese Musik war Teil seines Blutes und seiner Knochen. Und seine Augen wirkten urtümlich und nicht von dieser Welt, so scharf wie der Blick eines Wolfes.
    Er war ein wunderschöner Mann. Mein Mann.
    Grant sah zuerst mich an. Er sah mich immer zuerst an, ganz gleich, wo, ganz gleich auch, wie groß die Menschenmenge war, und es wirkte so, als würde er einen blank liegenden Nerv treffen: gesehen zu werden, gekannt zu werden. Wirklich gekannt
zu werden, keine Geheimnisse zu haben. Diese Empfindung war noch zu neu, um sich natürlich anzufühlen. Ich hatte mein Leben als Schatten verbracht und geglaubt, ich würde auch als einer sterben. Als werde niemand übrig bleiben, der sich an mich erinnerte, bis auf die Jungs und, wenn ich Glück hatte, eine Tochter.
    Der Priester atmete scharf ein, als er Grant erblickte, laut und dramatisch, und ich erwartete fast, dass der Mann ohnmächtig werden würde. Doch in seinem Gesicht zeigte sich nichts Schwaches. Sein Kiefer war fest zusammengepresst, die Lippen dünn und weiß, und die roten Flecken auf seinen Wangen verblassten zu einem schwachen Pink, das wie zwei frisch verheilte Narben aussah.
    Alle Wärme entwich aus Grants Augen. Ich sah, wie es passierte - als würde ich zusehen, wie der Tod hereinkam. Als wäre der Priester eine Pistole, eine Natter, ein Schleimpfropfen. Widerlich und bösartig. Ich hatte noch nie erlebt, dass Grant jemanden so ansah, und ich hoffte sehr, dass dies nicht zu einer Gewohnheit werden würde. Er war ein liebenswürdiger Mann. Ein liebenswürdiger, aber gefährlicher Mann.
    Der Priester rührte sich nicht. Grant und er starrten sich an. Die Leute in der Cafeteria hatten wieder angefangen zu essen, doch jetzt drehten sie sich erneut um und beobachteten die beiden Männer. Byron warf einen kurzen Blick durch die

Weitere Kostenlose Bücher