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In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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Adjektive reduziert war, von denen alle sehr gut platziert und zutreffend sein konnten - auf diese besondere Art, wie es nur Halbwahrheiten sein können.
    Ich warf noch einen Blick auf Doreens Rücken, und im selben Moment überkam mich eine Woge von Einsamkeit, die so stark war, dass ich am liebsten weggelaufen wäre - zurück in die Einsamkeit, die ich verlassen hatte. Allein zu sein, das war einfacher als dies hier. Ich hatte keinerlei Geschick im Umgang mit Lästermäulern und übler Nachrede. Und ich hatte mir auch nie träumen lassen, dass ich einmal in eine Situation kommen könnte, in der mich das überhaupt kümmern würde.
    Und es kümmerte mich ja auch nicht. Es konnte mich nicht kümmern. Es durfte nicht.
    Ich sah mich nach Byron um, der bereits auf der anderen Seite der Küche an der Essensausgabe stand und Frikadellen auf Tabletts legte. Er wurde von zwei alten Damen eingerahmt und hielt den Kopf gesenkt, obwohl er die wenigen Frauen, die ihm ihre Tabletts hinhielten, doch immer kurz anblickte. Aber er nahm keinen Augenkontakt mit den Männern auf. Männern ging er aus dem Weg, mit Ausnahme von Grant.
    Die Jungs rührten sich auf meiner Haut, sie grollten in ihren Träumen, empfanden irgendein Unbehagen, das plötzlich und ziemlich scharf zwischen meinen Brüsten zog. Sie zogen mich nach vorn, zur Essensausgabe. Aber nicht zu Byron, das spürte ich. Da war noch etwas anderes. Ich setzte mich in Bewegung, ging um den Tresen und ein paar Freiwillige herum und spähte
von der Küche aus in die Cafeteria. Viel sehen konnte ich nicht. Eigentlich nur die Mitte des Speisesaals vor den beiden Schwingtüren.
    Das genügte allerdings, um den Mann zu erkennen, der nur einen Augenblick später hereinkam.
    Er war kein Zombie. Aber ich bekam bei seinem Anblick eine Gänsehaut, und die Jungs wurden sogar in ihren Träumen ganz wild vor Wut; ihre Aufregung war so heftig, dass sich ihre tätowierten Körper wie Blasen in meinem Blut anfühlten und gegen die Haut meiner Unterarme drängten. Ich rieb mir die Arme, um sie zu beruhigen, aber die Jungs knurrten trotzdem weiter. Sie wollten diesen Mann töten.
    Er sah ungewöhnlich aus. Groß und schlank, mit einem langen Gesicht, das bis auf zwei rote Flecken auf seinen Wangen totenbleich war. Ein Schweißfilm bedeckte seine Stirn, obwohl es draußen nicht einmal zwanzig Grad warm war. Seine Haltung wirkte so steif, dass er mich an einen Nagel erinnerte. Und er war ein Priester. Er trug eine schwarze Hose, ein schwarzes Hemd, an dessen Kragen der kleine weiße Fleck eines Priesterkragens unter der offenen Windjacke herauslugte.
    Das hätte keinen Unterschied machen sollen, tat es aber. Ich war vor knapp einer Stunde fast ermordet worden, und jetzt war da ein Priester aufgetaucht, den die Jungs unbedingt ermorden wollten. Ich mochte solche Zufälle einfach nicht, selbst wenn dieser hier irgendwie nicht ganz zu passen schien.
    Ich tippte Byron auf die Schulter. »Geh und hol Grant, tust du das für mich?«
    Er sah mich an. Seine Augen waren schwarz wie Kohlen und dabei uralt. »Wegen dieses Priesters, nicht wahr?«
    Er verstand es immer wieder, mich zu überraschen. »Kluges Kind.«

    Byron blinzelte nicht einmal. »Ich mag ihn nicht.«
    Ich lächelte eigentlich nicht so leicht, aber jetzt verzogen sich meine Lippen doch. »Du bist nicht nur klug. Du bist brillant. Und jetzt hol Grant.«
    Byron nickte, tippte die Freiwillige neben sich an und reichte ihr seine Kelle, bevor er aus der Reihe trat. Er hängte seine Schürze an einen Haken an der Küchentür und ging. Schnell und effizient. Und er war sehr geübt darin, keine überflüssigen Fragen zu stellen.
    Ich sah den Priester wieder an. Er war ein Stück weiter in die Cafeteria gegangen und drehte sich jetzt einmal langsam im Kreis, während er die Leute musterte. Einige Zombies beobachteten ihn. Es waren drei, die zwischen den Menschen verteilt standen. Ihre Auren waberten schwarz und schlaff. Es waren zwei Männer und eine Frau, die dicke, ausgefranste Mäntel und Wollmützen trugen. Angemessene Kleidung für einen kalten Winter in Seattle.
    Es verblüffte mich einmal mehr, dass Menschen so blind für die Gefahren sein konnten, die sie umgaben. Keiner von ihnen warf einen zweiten Blick auf die Zombies. Die Leute saßen unmittelbar neben ihnen und plauderten ganz freundlich mit.
    Aber ich wusste es. Ich starrte sie an. Nur einer von ihnen erwiderte meinen Blick, kurz und gehetzt. Er war blass. Sein Bein zuckte unter dem

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