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In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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mit so viel Wucht auf, dass mir die Zähne klapperten und die Holzbretter brachen. Den Deckel hatte man mit Nägeln verschlossen, als wären sich meine Entführer zu schade dafür gewesen, fünf Dollar für ein Schloss auszugeben. Und ich hörte, wie ein Stemmeisen angesetzt wurde, um mich aus der Kiste zu befreien.
    Ich befand mich in einem stockdunklen Raum. Doch ich konnte in der Dunkelheit hervorragend sehen und erkannte Männer, die mich umringten. Es waren mindestens vier. Sie trugen normale Straßenkleidung und Nachtsichtgeräte, und sie rochen nach Tabak und Schweiß. Aber sie ließen sich nicht anmerken, ob es sie überraschte, dass mein Gesicht plötzlich von Tätowierungen überzogen war. Sie blieben auf eine professionelle Art und Weise vollkommen ungerührt.
    Der Sarg wurde wieder umgekippt, und das weiße MSU-Sweatshirt tauchte geisterhaft vor mir auf, als ich auf den Boden prallte. Der Geruch von feuchtem Beton stieg mir in die Nase. Das stank so dermaßen nach Keller, als wäre ich in einem alten, verfallenen Haus, das eine gründliche Behandlung mit Reinigungsmitteln und eine Überprüfung auf Schimmelpilze brauchte.
    Jemand machte sich daran, mir die Handschuhe abzustreifen. Ich ballte die Faust und versuchte ihn daran zu hindern. Einen Moment später spürte ich, wie ein Messer durch das Leder schnitt. Ich verdrehte mir fast den Hals, um besser sehen zu können - und stellte fest, dass der Mann in dem MSU-Sweatshirt rittlings auf mir saß, das Messer in der einen und Fetzen meiner Handschuhe in der anderen Hand. Er hatte keine Ähnlichkeit
mehr mit einem albernen Vater, sondern wirkte eher wie ein Soldat: mit steinernem Gesicht und äußerst zielstrebig. Die Art von Militär, die sich absichtlich den Kopf rasierten, weil sie dachten, sie sähen dann richtig böse aus. Er war der Einzige in diesem stockfinsteren Raum, der kein Nachtsichtgerät aufgesetzt hatte. Er trug nur seine Sonnenbrille, schien mich jedoch ganz ausgezeichnet sehen zu können.
    MSU schnitt mir die Reste meiner Handschuhe von den Händen und stieß dann einen kurzen, scharfen Befehl aus. Die anderen Männer gingen schweigend zu der einzigen Tür des Raumes, die in der Wand unter niedrigen Rohren eingelassen war, in denen es gurgelte, als würde oben jemand das Wasser ablassen. Als sie die Tür öffneten, sah ich kein Licht, nicht einmal einen winzigen Schein. Alles blieb stockdunkel. Die einzigen Geräusche bestanden in dem Gurgeln des Wassers, den quietschenden Sohlen ihrer Schuhe und in ihrem lauten Atmen.
    MSU wartete, bis die anderen den Raum verlassen hatten. Dann schob er seine Sonnenbrille auf die Stirn und betätigte einen Schalter an der Wand. Das Licht flammte auf und blendete mich. Tränen stiegen mir in die Augen. MSU trat zur Seite, so dass ich ihn nicht mehr sehen konnte. Erst nach einer kurzen Stille hörte ich zahlreiche scharfe Klicks. Eine Kamera. Er machte Fotos.
    »Ja«, hörte ich ihn sagen. »Sie trägt den Ring. Ich schicke Ihnen jetzt die Fotos.«
    Ich lag auf dem Bauch, die Arme auf dem Rücken gefesselt. Meine rechte Hand war deutlich zu erkennen. Ich rollte mich auf den Rücken und versteckte die Fingerrüstung. Der Mann seufzte. Ich versuchte ihn anzusehen, doch er trat erneut zur Seite. Ich erhaschte nur einen kurzen Blick auf ihn, wie auf ein Gespenst.

    Rohw und Aaz erhitzten meine Hände. Innerhalb von Sekunden versengten sie die Bündchen meines Pullovers und auch das Klebeband. Ich nahm den schwachen, beißenden Geruch von verbrennendem Plastik wahr und zog versuchsweise daran. Etwas riss.
    »Ja«, sagte MSU hinter mir. »Ich habe alles vorbereitet. Und noch einmal, danke. Dies hier ist mir eine Ehre.«
    Ich drehte den Kopf herum und konnte den Mann endlich richtig erkennen. Er wirkte unverändert und hatte die Sonnenbrille wieder aufgesetzt. Dann klappte er sein Handy zu und schob es in die Tasche. Daraufhin bemerkte er meinen Blick und starrte mich ebenfalls einen Moment lang abschätzend an. Wie ein moderner Anubis mit seiner Waage und Feder, der die Leichtigkeit meines Herzens maß.
    Dann sah er weg und zog sich das Sweatshirt aus. Darunter trug er nur ein Schulterhalfter mit einer Waffe. Seine Brust war von einer Tätowierung bedeckt.
    Ein Labyrinth. Grant hatte meine jüngste Faszination für dieses Thema genährt, indem er so viele Bücher darüber auftrieb, wie er nur konnte. Die Tätowierung auf der Brust des Mannes erinnerte mich an Fotos, die ich von dem Labyrinth in der Kathedrale von

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