In Den Armen Der Finsternis
eiskalt, als sie erwachte: eine fremde Welt, von mir getrennt und auch ganz unabhängig von den Jungs.
Ich hatte keinen Namen dafür und wusste auch nicht, was es sein sollte. Ich wusste nicht einmal, woher es gekommen war. Aber immer, wenn es sich regte, geschahen üble Dinge. In mir und um mich herum.
Nein, dachte ich. Nicht, tut es nicht.
Du brauchst uns , flüsterte eine zischende Stimme, und plötzlich wirkten die Männer vor mir in den Schatten ganz klein: wie Mäuse mit glitzernden Augen. Ich musste lächeln. Ich lächelte hart, wild, so als wären Dolche auf meiner Zunge oder der Tod, und ich kämpfte dagegen an. Mit aller Macht kämpfte ich dagegen an. Ein Lächeln gehörte nicht hierher. Mitten in einer solchen Orgie von Gewalt hatte ein Lachen nichts zu suchen.
Aber ich spürte es, ich ertrank darin. Es dauerte nur einen Moment lang, aber in diesem Augenblick pulsierte etwas durch mich hindurch, ein Gefühl, das ich kannte, wie eine aufblühende Panik oder Blutrunst. Nur war dies die Dunkelheit. Eine Dunkelheit, die in Euphorie umschlug und sich in meiner Brust wie ein langer Körper ausstreckte, der vom Schlaf erwachte.
Jägerin , flüsterte die zischende Stimme. Wir sind doch eins .
Ich erschauerte, ohne dass ich etwas dagegen hätte tun können. Es war beinahe Sonnenuntergang, und ich zog meinen Ärmel hoch, enthüllte die Tätowierungen, die wie mit silbernen, leuchtenden Fäden durchzogen zu sein schienen: Schuppen, Klauen, rote, funkelnde Augen, die wie Rubinsplitter glänzten. Und auch wenn die Jungs noch nicht ganz wach waren, waren sie doch dicht davor. So dicht, dass ich schon sehen konnte, wie sie sich auf meiner Haut regten und glühten. Die Männer sahen es auch. Ich fuhr mit dem Messer über meinen Arm und schärfte die Klinge, fütterte die Jungs mit Stahl. Funken
tanzten in diesem Ring aus Licht. Die Männer zuckten zusammen, und eine würgende Gier blubberte meine Kehle herauf, riss mein Herz auf, ganz so wie eine Wolke in einem tosenden Sturm zerfledderte.
»Sagt es mir«, flüsterte ich. »Sagt mir, warum Cribari meinen Tod will.«
Die Männer antworteten nicht, sie mochten mich vielleicht nicht einmal gehört haben. Wie gebannt und vollkommen entsetzt starrten sie auf meinen Arm und bekreuzigten sich.
Franco rührte sich und hustete. Ich sah auf ihn herab und bemerkte, dass er seine Wange auf die Steinfliesen gepresst hatte. Speichel rann aus seinem Mundwinkel, doch er hatte seine unmenschlichen Augen geöffnet. Er starrte auf die Fingerrüstung an meiner rechten Hand.
»Du bist eine Missgeburt«, flüsterte er. Das Dämmerlicht des Kellers kam mir plötzlich wie die tiefste Nacht vor, hohl und abgestanden. »Dunkle Mutter. Die Dunkle Lady des Labyrinths. Wir sind auf den Kampf gegen dein Versprechen eingeschworen.«
Ich hob meine rechte Hand. »Und dies hier?«
»Ein Relikt, das dir nicht gehört«, fauchte er und stieß dann ein scharfes Wort aus, bei dem sich die Männer in Bewegung setzten. Pistolen schimmerten in dem gedämpften Licht. Ich spürte, dass der Sonnenuntergang nah sein musste … ganz nah …
Einer der Männer feuerte zu früh. Der Knall war ohrenbetäubend, dröhnte fast wie ein Donnerschlag, unter dem der Boden sogleich erzitterte. Die Kugel prallte jedoch von meiner Brust ab.
Und befreite diese schreckliche Gier. Ich konnte sie nicht mehr aufhalten. Ich fletschte die Zähne zu einer grinsenden
Grimasse - zu einem Lächeln, das nach Blut schmeckte und mich mit einem berauschenden Entsetzen erfüllte, das berückend und grauenvoll zugleich wirkte, so als würde ein anderer lächeln, sich unter meiner Haut ausstrecken, und zwar so weit ausstrecken, dass ich mir fast einbildete zu fühlen, wie Nähte an meinen Gelenken rissen, als wäre ich eine Stoffpuppe. Mir verschwamm alles vor den Augen, bis ich blind wurde. Aber die Männer… kreischten nun, und meine Ohren hörten ausgezeichnet.
Schließlich schien meine ganze Welt nur noch aus diesen Schreien zu bestehen. Ihr Klang drang wie Wein in meinem Mund, geschärft durch die Nuancen der einzelnen Stimmen, die in einem immer schnelleren, ganz und gar unregelmäßigen Rhythmus hereinbrachen, zu dem mein Körper auch noch so schwankte, als surfe er auf den Tönen einer makabren Gitarre. All mein Entsetzen konnte das Entzücken der Kreatur nicht kompensieren, die in mir hauste, sosehr ich auch dagegen ankämpfte. Ich kämpfte dagegen an, als hinge mein Leben davon ab, weil mich diese Schreie sonst umbringen
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