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In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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an. Seine Miene muss undurchdringlich gewirkt haben. Ich war sicher, dass er mich fragen würde, wie ich von diesem Verbrechen erfahren hatte, stattdessen jedoch sagte er: »Das war der letzte Akt. Aus diesem Grund hatte ich schließlich seine Einkerkerung angeordnet.«
    »Und die Jungs? Oder Sucher, der ihnen geholfen hat, ihr Baby großzuziehen? Oturu? Das hätte ich gern gewusst.«
    »Es gibt zu viel Geschichten«, erwiderte Jack müde und stieg weiter die Treppe hoch. »Viel zu viele, Liebes. Du trägst die Geschichten aus zehntausend Jahren in deinem Blut mit dir herum. Das Einzige, was du wirklich genau kennen kannst, bist du selbst.«
    Leichter gesagt als getan.
    Killy lag immer noch auf dem Treppenabsatz, ein Kissen unter dem Kopf und eine Flasche Wasser auf der Stufe unter ihr. Byron saß neben ihr - und seine Muskeln spannten sich an, als er Jack sah. In der Gegenwart des alten Mannes konnte er sich nie entspannen, ebenso wenig wie Jack dem Jungen in die Augen
zu blicken vermochte. Mir kam es so vor, als ignorierte er den Jungen komplett, während er die Frau fixierte. Ihre Lider flatterten, als sie die Augen öffnete und ihm ins Gesicht starrte.
    »Zum Teufel!«, stieß Killy heiser hervor. »Noch einer.«
    Jack blähte die Nasenflügel, und ein Ausdruck grimmiger Belustigung flog über sein hageres Gesicht. »Dasselbe könnte ich von Ihnen sagen.«
    »Er wird Ihnen nichts tun«, warf ich rasch ein, als ich die Beunruhigung in ihrem Blick bemerkte.
    Killy versuchte sich aufzusetzen, und Byron streckte die Hand aus, um ihr zu helfen. Er hielt jedoch inne, unmittelbar bevor er sie berührte. Er konnte ihr nicht ins Gesicht sehen, und ich vermutete, dass er seinen Blick aus Schüchternheit gesenkt hielt. Es war eine zurückhaltende, stille und schreckliche Schüchternheit.
    »Ich hätte euch allesamt einfach stehen lassen sollen«, murmelte Killy. »Selbsterhaltungstrieb, von wegen! Allein bin ich viel sicherer.«
    Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. »Wie geht es Ihrem Kopf?«
    Sie gab den Versuch auf aufzustehen und warf mir einen Blick zu, der hart gewirkt hätte, vielleicht sogar furchtlos, wenn nicht die Muskeln um ihr linkes Auge heftig zu zucken angefangen hätten. »Er brennt«, erwiderte sie gedehnt. »Ich habe keine Ahnung, ob das jemals aufhört. Wo diese Frau gewesen ist und was sie durchgemacht hat, das kann doch einfach nicht existieren.«
    »Sie haben es gesehen?«, fragte Jack vorsichtig.
    »Sie strahlt es aus. Ich kann den Nachhall selbst jetzt noch fühlen. Es ist, als … als würden Rasierklingen in meinem Gehirn wachsen.« Killy schüttelte sich und rieb sich die Arme.
»Ich habe den Tod gesehen, ich habe gesehen, wie sie tötete. Dann sah ich sie mit einer Frau und einem Baby; sie wurden gejagt. Damals war sie noch jünger. Diese alte Frau war so jung wie ich. Ich habe auch noch andere Babys gesehen …«
    Killy unterbrach sich und schlug die Hand vor den Mund. Sie senkte den Blick und atmete tief durch. Byron schlang die Arme um seinen Bauch und wiegte sich leicht, während er sie beobachtete. Jack wirkte ebenfalls elend, allerdings aus einem anderen Grund. Ich sah in seinen Augen, dass er sich erinnerte … Und dann fielen mir die Worte von Mr. Koenig ein.
    Der alte Jack könnte dir von der Jagd erzählen, wenn er hier wäre. Wie wir Häuter deine Rasse durch das Labyrinth hetzten, wie wir Babys in Fesseln aus ihren Krippen stahlen.
    Ich warf einen Blick in die Wohnung und bemerkte, dass Grant den alten Mann beobachtete. Sein Blick war kalt. Ganz offensichtlich erinnerte er sich gerade an dasselbe.
    »Ich wusste so viel über diese Welt«, flüsterte Killy hinter ihrer Hand. »Ich dachte, ich wüsste genug.«
    »Jack«, sagte Grant ruhig. »Wir müssen uns unterhalten.«
    Der alte Mann rieb sich den Nacken. »Vermutlich müssen wir das tun, ja, Junge.«
    Grant drehte sich um und humpelte in die Wohnung. Jack folgte ihm. Killy schien es nicht zu bemerken, Byron jedoch beobachtete die beiden Männer und warf mir dann einen ernsten, wissenden Blick zu.
    »Es tut mir leid«, erklärte ich ihm. »Du hättest niemals in diese Geschichte hineingezogen werden dürfen. Ich weiß, dass alles, was hier geschieht, dir merkwürdig erscheinen …«
    »Ich bin nicht allein«, unterbrach mich der Junge leise und zögerte, als wäre dies bereits eine ausreichende Erklärung. Das war es auch - und ich verstand ihn ja. »Merkwürdig ist okay.«

    Das war es aber ganz und gar nicht. Er hatte etwas

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