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In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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die Schläfen.
    »Deine Mutter«, wiederholte Mary, lauter diesmal, während sie das Medaillon so fest umklammerte, dass ihre Knöchel weiß wurden. »Ich habe deine Mutter verloren.«

    Killy sank herunter, um sich zu setzen, aber es gab keinen Stuhl, nichts, was sie hätte stützen können. Byron griff nach ihrem Arm, doch sie riss sich los, als hätte er sie verbrannt, und stürzte zu Boden. Sie schien es kaum zu bemerken. Ihr Gesicht war von Schmerz verzerrt.
    Mary zog an dem Medaillon und riss Grant dicht zu sich heran. »Ich hatte sie, genau so, und dann wurde sie mir entrissen.«
    Killy schrie. Byron starrte mich hilflos an. Ich bückte mich, packte die Frau unter den Armen und zog sie zurück und weg von Mary, die von innen heraus zu strahlen schien und deren Augen immer wilder blickten.
    »Byron!«, stieß ich hervor, und der Junge ergriff Killys Beine. Wir schleppten sie stolpernd fort und stießen dabei ein paar Bücherstapel um.
    »Das Labyrinth hat euch beide geholt«, sagte Mary, aber ich achtete schon nicht mehr auf sie. Ich war vollkommen auf die schluchzende Frau konzentriert, die da in meinen Armen zu sterben schien.
    »Mary.« Grants Stimme durchbrach meine Konzentration. »Mary, beruhige dich.«
    Die Stimme der alten Frau klang vor allem schrill. »Die anderen waren tot. Sie alle waren tot. Die Babys … Sie haben die Babys geholt, und du bist das letzte gewesen; du warst …«
    »Mary.«
    »Ich habe ihr versprochen, dich zu beschützen …«
    »Mary!«
    »… aber ich habe versagt.«
    Es gelang Byron und mir, Killy in den Flur zu schleppen, doch sie kreischte immer noch und presste ihre Hände gegen den Kopf. Blut tropfte aus ihrer Nase.

    »Schlag sie«, sagte der Junge grimmig. »Schlag sie ohnmächtig.«
    Ich starrte ihn an, drehte mich dann herum und hämmerte meine Faust gegen Killys Kinn. Es war ein präziser Schlag, und ein sehr wirkungsvoller dazu. Ihr Schreien brach mit einem erstickten Laut ab, und sie wurde schlaff. Sie war bewusstlos. Sie atmete zwar noch und ihr Herz hämmerte wie wild, aber jetzt war sie vor den Schmerzen geschützt, unter denen sie so gelitten hatte. Die plötzliche Stille wirkte geradezu ohrenbetäubend.
    »Bleib bei ihr!«, befahl ich Byron und lief in die Wohnung zurück.
    Mary stand Nase an Nase mit Grant. Dabei war sie gar keine große Frau, aber sie hatte sich auf die Zehenspitzen gestellt und den Mann an dem Medaillon heruntergezogen, bis er ihr direkt in die Augen sah. In ihren Mundwinkeln hatte sich Schaum gebildet. Sie sah Grant an, als wäre er ihr Rettungsring, der Grund dafür, dass sie atmete. Daran war gar nichts Verrücktes. In diesem Augenblick war die alte Frau so vernünftig, wie sie nur sein konnte.
    »Ich habe dich verloren«, flüsterte sie.
    Grant nahm ihre Hand. »Du hast mich gefunden. Du bist jetzt in Sicherheit.«
    »Keine Welt ist ganz sicher.« Mary drehte den Kopf und sah mich an, starrte mir mit einer klaren, erschütternden Intensität in die Augen. »Du. Du bist doch eine von ihnen. Ich kann es ja sehen. Durch Blut gesponnen, verpflanzt. Eine Sklavin.«
    »Ich bin aber keine Sklavin«, widersprach ich.
    »Dann werden sie dich töten«, wisperte sie. »Oder versuchen, dich zu kontrollieren.«
    »Das schaffen sie nicht.« Ich trat vor, bis ich der alten Frau
direkt gegenüberstand. »Nicht bei mir, und nicht bei Grant. Bei niemandem auf dieser Welt.«
    Vor Gram verzerrte sich ihr Gesicht. »Das haben wir auch gesagt, als der Aetar das erste Mal auftauchte.«
    Mary schwankte erneut und drückte ihre Handfläche dabei an ihr Auge. Ihr Griff um das Medaillon löste sich. Grant versuchte sie festzuhalten, doch ihre Knie gaben unter ihr nach.
    »Sie kommen jetzt«, flüsterte sie und ließ die Halskette los.
    Ich fing die alte Frau auf, als sie fiel, und ließ sie sanft auf den Boden sinken. Sie war zwar noch bei Bewusstsein, murmelte jedoch unzusammenhängendes Zeug, und ihr Blick war in die Ferne gerichtet. Ihr Verstand ging wieder seine eigenen Wege. Sie schien ein bisschen verrückt zu sein, aber dennoch war sie auf keinen Fall vollkommen verrückt, das war mir mittlerweile klar.
    Grant kniete sich unbeholfen neben sie, vollkommen bestürzt. Er ließ seinen Stock los und hielt beide Hände über ihren Körper. Sie zitterten, als hätte er Angst, die alte Frau zu berühren.
    Zee zerrte an meiner Haut - und die anderen Jungs wanden sich vor Unbehagen.
    »Verdammt«, flüsterte ich, während ich zu verarbeiten versuchte, was sie gesagt

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