In Den Armen Der Finsternis
Besseres verdient, nur konnte ich ihm nichts bieten. Ich konnte ihn nicht einmal wegschicken. Denn ich wusste Dinge über Byron, von denen er gar keine Ahnung hatte.
Zum Beispiel wusste ich, dass er nicht ganz und gar menschlich war.
Sanft drückte ich seine Schulter. »Kümmere dich um sie, Junge. Ich bin in einer Minute wieder da.«
Dann ging ich in die Wohnung. Die Männer waren in der Küche, Mary war nicht mehr bei ihnen. Vielleicht war sie ins Schlafzimmer gegangen. Ich glaubte ein leises, melodiöses Summen hinter der halb geschlossenen Tür zu hören.
Grant stand neben dem Küchentisch und umklammerte die Rückenlehne eines Stuhls. Jack lehnte mit verschränkten Armen am Tresen. Die beiden Männer beobachteten sich wachsam.
»Ich glaube, es ist Zeit für einige Antworten«, begann Grant. »Genau genommen bestehe ich sogar darauf.«
»Du bestehst darauf.« Jack strich sich mit der Hand über den Mund, und die Schatten unter seinen Augen wurden dunkler, als lebte unter seiner Haut nichts anderes als Schatten. »Es wird Blut fließen - man sagt doch: Blut wird Blut fordern.«
»Steine haben sich bewegt und Bäume haben gesprochen«, fuhr ich fort. Ich machte da weiter, wo Jack aufgehört hatte. Es war ein Zitat aus Macbeth , einem Drama, das ich auf Drängen meiner Mutter hin hatte studieren müssen. Es gehörte zu meiner Ausbildung über die menschliche Natur.
»Was ist die Nacht?«, fuhr Grant leise fort. »Was ist das, Jack?«
»Fast ein Gegensatz zum Morgen«, flüsterte er. »Und fast der Gegensatz zu allem, was diese Welt geträumt hat. Eure
Shakespeares und Michelangelos und auch eure klugen Einsteins träumen solche Worte. Und früher, viel früher, da gab es solche wunderbaren Werke - von einer Brillanz, dass dies das goldene Reich wäre und ist, wie wir es uns erträumt hatten. Nur waren seine Schätze die des Geistes, und meine Rasse blieb nicht lange genug da, um all jenes wertschätzen zu können, was er bot.«
Jack ließ die Schultern hängen, und als er mich dann kurz anblickte, lag eine Trauer in seinen Augen, die mich an jene Male erinnerte, als er den Namen meiner Großmutter ausgesprochen hatte. »Ich war ein Narr. Ich dachte, die Dinge würden so weitergehen wie bisher. Ich wollte das so sehr, ich wünschte mir eine Veränderung bei dir. So wie normale Menschen das tun, Liebes.« Er zögerte. »Ich hatte gehofft, niemand anders würde Grant bemerken.«
Grant verschränkte seine Finger mit den meinen. »Aber jemand hat mich bemerkt. Was ist der Grund für diese extreme Reaktion?«
»Extrem?« Jack lächelte verbittert. »Was ist denn so extrem daran, wenn man eine Seuche ausrottet oder sein Leben vor einer natürlichen Katastrophe schützt? Man tut eben, was man tun muss. Man zerstört, was einem Schaden zufügen kann … oder aber man bändigt es.«
»Grant ist ein Mann«, protestierte ich. »Er ist keine Naturgewalt.«
»Ach nein? Meine Rasse ist das Opfer ihrer eigenen Existenz geworden, die kaum mehr ist als Energie. Und du, Junge, du manipulierst Energie. Du könntest auch uns manipulieren, du könntest uns töten, einfach nur aus einer Laune heraus. Und nicht nur uns, sondern jede lebendige Kreatur. Das ist eine Macht.« Jack warf ihm einen eisigen Blick zu. »Lichtbringer.
Du kannst das Licht in jedes Herz zwingen. Licht oder eben Dunkelheit.«
Grant zuckte zusammen. »Nenn mich nicht so.«
»In der Priesterschaft wurdest du Vater genannt. Der Name, den ich dir gerade gegeben habe - Lichtbringer -, ist doch nichts anderes. Er ist ein Teil deiner Identität, ob du es nun akzeptierst oder nicht.«
Ich schüttelte enttäuscht den Kopf. »Du übergehst ja die wesentlichen Dinge. Es gab noch andere … wie Grant. Was ist mit ihnen geschehen?«
Jack zögerte mit einer Antwort.
»Du hast sie ermordet«, sagte Grant sehr ruhig.
Es machte mich krank, diese Worte laut ausgesprochen zu hören. Und es entsetzte mich auch, als der alte Mann sie nicht leugnete. Mein Großvater. Mein Großvater, der nur so aussah wie ein Mensch. Schlimmer noch war jedoch, dass es mich nicht überraschte. Ich hatte bereits Bruchstücke der Wahrheit als Kostprobe gehabt, da draußen im Wald, auf dem Zirkusfriedhof. Jetzt fügten sich die Puzzlestücke allmählich zusammen. Ich sah, wie Jack sich schüttelte und schwer schluckte, als würde ihm schlecht.
»Wir waren verzweifelt«, sagte er schließlich. »Wir hatten kein Gefühl mehr für richtig oder falsch. Die Moral kam später, nachdem wir die
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