In Den Armen Der Finsternis
das Labyrinth hindurch. Ahsen war schon schlimm genug. Wenn du ihn tötest, dann werden andere kommen.«
»Er muss sterben«, sagte ich.
»Und wenn ich mich ihm ausliefere?«, erkundigte sich Grant.
»Das ist doch albern!«, widersprach ich. »Das ist ja vollkommen blödsinnig.«
»Wenn ich mich ausliefere«, wiederholte er und warf mir einen harten Blick zu, »würde das genügen, um sie von dieser Welt fernzuhalten?«
Ich riss meine Hand aus seiner. Ich war stinksauer. Jack schüttelte den Kopf. »Das darfst du nicht!«
»Hör zu …«
»Nein!«, unterbrach ihn Jack. Seine Augen leuchteten fast fiebrig hell. »Nicht, wenn du der Letzte bist. Verstehst du das nicht? So etwas wie du, das hat schon seit Jahrtausenden nicht mehr existiert. Aber du bist hier, und zwar jetzt, weil das Labyrinth dich verborgen und dir eine Tür zu dieser Welt und dieser Zeit geöffnet hat.«
»Ich werde aber nicht zulassen, dass meinetwegen Menschen sterben.«
»Sie werden eher sterben, wenn du nicht hier bist!«, stieß Jack hervor. »Sie werden durch die Dämonen sterben, wenn der Gefängnisschleier fällt. Sie werden sterben, wenn meine Spezies auftaucht und diese Welt nach mehr Wesen von deiner Art absucht. Es wird wie früher sein, Junge, eine Welt voller Götter und Monster, und nichts wird so sein, wie es einmal war, wenn das erst vorbei ist. Wenn du dich jetzt opferst, erreichst du nichts anderes, als dir selbst ein paar Schmerzen zu ersparen. Und du überlässt es ihr, diese Schmerzen zu erleiden.«
Grant versteifte sich. Einhalt gebietend hob ich meine Hand. »Hör auf, Jack.«
»Nein«, flüsterte er, während er Grant anstarrte. »Erst, wenn er es ganz versteht. Hier gibt es nichts zu gewinnen.«
»Es gibt nur … Möglichkeiten«, erklärte Grant grimmig und rammte die Spitze seines Stocks mit so viel Wucht auf den Boden, dass ich die Vibration in meinen Knochen fühlte. Seine Augen waren dunkel vor Wut. »Seid ihr eigentlich alle solche Mistkerle, Jack?«
»Nein«, gab der alte Mann müde zurück. »Aber es gibt genug, die so sind.«
Ich spürte, dass uns jemand beobachtete. Als ich mich umdrehte, sah ich Mary in der Schlafzimmertür stehen. Ihr Haar stand wild um ihren Kopf, und sie umklammerte ihren Pullover. Ihr Blick war rasend, wie irre, und das Weiße in ihren Augäpfeln wirkte so strahlend wie Schnee. Ihre Lippen waren so dünn wie eine Messerklinge.
Jack erblickte sie und zuckte zusammen. »Maritine!«
»Wolf«, flüsterte sie gebrochen und sah Grant an. »Er will mich an diesen dunklen Ort zurückschicken.«
Einen Augenblick lang verlor Grant die Beherrschung und seine Miene verzerrte sich. Aber dann riss er sich zusammen, holte tief Luft - und man konnte schon sehen, dass er sich stählte. Er humpelte zu der alten Frau und zog sie eng an sich heran. Winzig und unendlich zerbrechlich sah sie an seiner Seite und unter seinem Arm aus.
»Nein«, flüsterte er und drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel. »Dazu wird es nicht kommen.«
O nein, das würde es auch nicht. Ich konnte alldem ein Ende bereiten, ich konnte das jetzt zu Ende bringen.
Ich hob meine rechte Hand und betrachtete die zierliche Rüstung, die meinen Finger umhüllte und von der sich ein Faden wie eine silberne Ader zu dem schimmernden Kommando an meinem Handgelenk zog. Jack blickte ebenfalls dorthin, wobei ein Ausdruck müder Resignation auf seinem Gesicht erschien.
»Weißt du, wo er ist?«, fragte ich den alten Mann. Ich bemühte mich, ruhig und stark zu klingen. »Weißt du, wo sich Mr. Koenig versteckt?«
Jack sagte nichts, doch sein Blick war todernst. Grant drehte sich langsam herum und sah mich an. Seinen Blick konnte ich kaum erwidern. Es schmerzte zu sehr.
»Maxine!«, stieß er heiser hervor. »Nein, Maxine.«
Jack reagierte. Schnell, fast wie eine Viper, zuckte seine Hand zu meiner Schulter. Ich wich ihm aus und tanzte leichtfüßig in das Labyrinth der Bücher. Er folgte mir nicht, sondern blieb einfach zusammengekrümmt stehen, eine Hand in die Luft gereckt. Mein Blick zuckte von dem alten Mann zu Grant hinüber, und ich versuchte zu lächeln - um ihretwillen. Meine Familie.
Die Meinen.
»Wir sehen uns, wenn … wir uns sehen«, flüsterte ich. Das Herz schlug mir bis zum Hals. »Bis dahin … bleib am Leben.«
Grant verzog das Gesicht und stürzte sich auf mich. Doch er rutschte mit dem Gehstock aus und fiel auf die Seite. Ich ergriff mit der rechten Hand meine Linke und trat zurück. Die Rüstung brannte
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