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In den Armen der Nacht

Titel: In den Armen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Dodd Beate Darius
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Blutfaden.
    Sie sah mindestens ebenso horrormäßig aus wie er, dachte Tasya. Aber Hauptsache, sie lebte.
    Sie lehnte sich mit dem Hinterkopf an den warmen Stein. Die Luft roch himmlisch gut, nach salziger Meeresbrise und würzigen Flechten und Moosen. Die Felsen bohrten sich unangenehm in ihren Rücken, aber was machte das schon? Sie hatte die Explosion überlebt. Ihre Stiefel waren voller Sand, winzige Kiesel gruben sich in ihre Fußsohlen - aber sie lebte.

    »Hast du Höhenangst?«, wollte Rurik wissen.
    »Nein.« Tief unter ihnen umtoste gischtschäumende Brandung die steilen Klippen. »Ich hab bloß Angst im Dunkeln.«
    Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Nicht zu fassen, dass du auch noch den Rucksack mitgenommen hast.«
    Sie blickte an sich hinunter. Während sie vor dem Eingang des Tunnels auf Rurik gewartet hatte, hatte sie sich geistesgegenwärtig den Rucksack auf den Bauch geschnallt und die Tragegurte fest an ihren Körper gezurrt. »Wegen der Kamera«, bekannte sie.
    Sie zog den Reißverschluss des Hauptfachs auf, nahm die Nikon heraus und inspizierte sie. Ihr wasserdichter, schmutzabweisender, formstabiler Rucksack hatte die Kamera vor Schlimmerem bewahrt. »Sieht gut aus.«
    »Du auch.« Er schmunzelte.
    Behutsam, fast zärtlich legte sie ihre geliebte Kamera zurück.
    Er zog sein Handy aus der Hosentasche, klappte es auf. Sand rieselte heraus. »Mist.« Das Display war zersplittert.
    Er schüttelte das Gerät, drückte auf ein paar Tasten, hielt es ans Ohr. »Scheißtechnik«, wiederholte er. »Das Ding war wohl nicht für Extremsituationen gebaut.« Er schob es wieder in seine Hosentasche. »Hast du eins dabei?«
    »In meinem Rucksack«, meinte sie gedehnt. »Ich hab’s ausgeschaltet. Wer ruft mich schon an?«
    »Keine Ahnung. Deine Mutter? Dein Vater?«
    Sie blickte versunken über den Ozean, der am Horizont
als dünne blassgraue Linie mit dem strahlend blauen Himmel verschmolz. »Meine Eltern sind tot.«
    »Und dein anderer Lover?«
    »Hat anderes zu tun als zu telefonieren«, versetzte sie schlagfertig.
    »Willst du mich eifersüchtig machen?«
    »Nein.«
    »Nein, wieso auch? Du machst dir ja sowieso nichts aus mir.«
    Müssen wir das ausgerechnet jetzt diskutieren? , dachte sie, behielt die Frage jedoch für sich. Er konnte es einfach nicht lassen, sie zu provozieren. Und sie wollte diese Konfrontation auf jeden Fall vermeiden. Sie kramte in ihrem Rucksack. »Willst du deine Familie anrufen? Sie machen sich bestimmt große Sorgen, wenn das mit der Explosion in den Nachrichten kommt.«
    Er legte seine Hand auf ihre, woraufhin sie ihre Herumwühlerei abbrach. »Sie machen sich keine Sorgen, die nächsten Tage zumindest nicht. Ich lande immer weich. Lass das Telefon ruhig aus.«
    Sie ahnte schon warum. Sie deutete zur Spitze der Klippe und fragte: »Sind wir hier überhaupt sicher?«
    »Ja. Die Typen hatten keinen Schimmer, dass wir in dem Grab waren. Folglich machen sie sich auch keinen Kopf um uns.«
    »Ich wusste, dass die Legende so nicht stimmen kann«, sagte sie und lächelte wie eine zufriedene Katze.
    Er schwenkte zu ihr herum. »Welche Legende?«
    »Erzähl ich dir, wenn wir von dieser Insel runter sind.«
    Seine Augen wurden schmal. Er öffnete den Mund
und schloss ihn unverrichteter Dinge wieder. Räusperte sich. »Was hast du da?«, sagte er schließlich.
    Sie hätte wetten mögen, dass er sie eigentlich etwas ganz anderes hatte fragen wollen.
    Sie blickte auf ihre Hand. Sie hielt ein schmutzverkrustetes, rostiges Metallstück umklammert, etwa zwanzig Zentimeter lang und schmal wie eine Klinge. »Keine Ahnung. Irgend so eine Art Messer. Tauchte wie aus dem Nichts auf, als du mich vorhin rauszogst. Als hätte es mich gesucht, um mir zu helfen.«
    »Nimm’s mit. Das schauen wir uns nachher genauer an.«
    Sie öffnete das Außenfach ihres Rucksacks - das für die Wasserflasche, die sie nie dabeihatte - und ließ die antike Klinge hineingleiten.
    Rurik beobachtete sie, seine Lippen zu einer schmalen Linie zusammengekniffen. Er war enttäuscht, das sah sie ihm an. »Diese Klinge ist womöglich das Einzige, was von der Grabung übrig bleibt.«
    »Es ist echt jammerschade für dich und deine Arbeit.« Sie legte begütigend ihre Hand auf seinen Arm. »Ich weiß, wie wichtig dir dieses Grab war.«
    Er betrachtete ihre Hand. Senkte seine Augen in ihre. Blicke voller Leidenschaft, wild, glutvoll.
    Ihr stockte der Atem. Sie zog automatisch ihre Hand weg.
    »Das Grab ist nebensächlich.

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