In den Armen der Nacht
nicht Clovus, den ich fühle. Weil … sie hier sind.«
Unvermittelt hörte er es auch, den schweren Akzent, ihren prahlerischen Tonfall.
Die Varinskis. Verdammt und zugenäht. Die Varinskis. Seine gottverfluchten Cousins hatten ihm aufgelauert. Ausgerechnet hier.
Die Varinskis waren darauf trainiert, ihre Feinde aus dem Hinterhalt anzugreifen und kurzen Prozess zu machen. Für gewöhnlich verrichteten sie ihr schmutziges Handwerk ausschließlich für zahlende Kunden.
Dieses Mal bezahlte sie niemand. Sie verfolgten die Wilders, um Rache an ihnen zu nehmen. Sie hatten Jasha, seinen älteren Bruder, aufgespürt. Und jetzt ihn.
Rurik musste sich entscheiden - zwischen seinem Schicksal und einer Frau, die sein Herz höher schlagen ließ und seine Leidenschaft befeuerte.
Mit seinem Tod würden die Hoffnungen seiner Familie wie eine Seifenblase zerplatzen, deshalb würde er kämpfen. Und er musste Tasya aus dem Spiel lassen. Sie durfte nicht sterben, nur weil sie zufällig bei ihm war.
»Versteck dich«, sagte er leise. »Am besten hinter dem Altar.«
Sie blickte auf die Kamera, die sie in der Hand hielt. »Mein Rucksack. Mein Rucksack steht noch im Eingang!«
Blitzschnell schnappte er sich ihren Rucksack und ihre Taschenlampe und drängte sie an die hintere Wand. Gemeinsam duckten sie sich hinter den Altar. Er zog sie schützend hinter sich - und mit einem Mal war sie wie vom Erdboden verschluckt. Verschwunden hinter einem Felsblock, der sich, durch einen geheimen Mechanismus
ausgelöst, aus dem Mauerwerk geschoben hatte und eine Öffnung freigab.
Er tastete in die nachtschwarze Dunkelheit.
Sie fasste mit zitternden Fingern seine Hand. »Ich bin hier. Da ist ein Durchgang«, wisperte sie mit zittriger Stimme.
Tatsächlich. Der kühle Luftzug, der ihm entgegenwehte, roch nach frischer Meeresbrise.
Er neigte sich vor, lenkte den Strahl der Taschenlampe in die Finsternis. Und blickte durch diffuses Halbdunkel in eine kleine Felsenkammer und einen Tunnel, der sich durch den Felsen schlängelte. Er schob ihren Rucksack und ihre Taschenlampe in die Öffnung. »Geh. Ich bleibe noch. Ich muss wissen, was sie beratschlagen.«
Er kroch wieder in die Vorkammer und schloss die Geheimöffnung. Kauerte sich vor die Wand und wartete.
Es waren vier Männer - klar, die Varinskis hatten ausschließlich Söhne -, und Rurik realisierte spontan, dass sie ihn nicht hier vermuteten.
Außerdem hatte Boris, der führende Kopf der Varinskis, wohl nicht seine Spitzenleute hergeschickt. Für Topganoven waren sie nämlich reichlich unterbelichtet. Sie waren laut, undiszipliniert und unerfahren, einfältige Rabauken, die sich keinen Pfifferling darum scherten, ob sie belauscht wurden.
Einer, ein raubeiniger Typ um die dreißig, hatte eine große Ledertasche dabei. »Also, was liegt an, Leute?«, blökte er auf Russisch.
»Ja, wieso sind wir überhaupt auf diese kleine Scheißinsel gekommen?« Einer seiner Begleiter inspizierte die
in den Fels gehauene Säule und das Mauerwerk. Er trug einen Cowboyhut und Stiefel und mutete wie ein Kosak an, der unbedingt auf Texaner machen wollte.
Hinter den Altar geduckt, verfolgte Rurik jede ihrer Bewegungen.
Der Anführer war um die vierzig und stand inmitten der Gruft, breitbeinig, die Hände in die Hüften gestemmt. »Offenbar hatte einer von den alten Säcken eine Vision. Keine Ahnung, was genau, aber Boris bekam ziemlich Muffensausen.«
»Ich war dabei, als es passierte«, warf der Jüngste von ihnen ein.
Die anderen drei drehten ruckartig die Köpfe zu ihm.
»Warst du nicht.« Der Anführer kaufte ihm das zweifellos nicht ab.
»Doch, war ich wohl«, beteuerte der Junge. »Der verrückte Onkel Iwan, der Blinde mit dem weißen Film über den Augen, rief Boris zu sich, als könnte er ihn plötzlich sehen, packte ihn an der Gurgel, und seine Stimme klang wie … wie …« Er schauderte unwillkürlich. »Sie klang dunkel und dumpf und gespenstisch.«
»Onkel Iwan konnte Boris noch nie leiden«, wandte der Anführer ein. »Er hasst ihn.«
Der Junge zuckte unbehaglich mit den Schultern. »Ja, mag sein.«
»Und, was hatte der Tattergreis zu vermelden?«, wollte einer von den anderen wissen.
»Onkel Iwan erzählte Boris, dass der Pakt mit dem Teufel hinfällig wird, wenn er es nicht schafft, den Typen um die Ecke zu bringen, der dieses Zigeunerflittchen geheiratet …«
»Konstantine«, fiel der Anführer ihm ins Wort.
»Ja genau, Konstantine. Wenn die Varinskis es nicht packen, diesen
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