In den Armen der Nacht
Konstantine und seine Sippe umzulegen, würden sie zur Lachnummer werden und der Pakt geht den Bach runter. Bei der Story bekam ich echt das kalte Grausen.«
Rurik erging es ebenso. Er hatte die Vision, die seine Mutter geäußert hatte, für einen Wink des Schicksals gehalten. Mit ihrer Prophezeiung sollte die Familie vor drohendem Unheil gewarnt und gleichzeitig dazu angehalten werden, den Pakt mit dem Teufel zu lösen.
Jetzt schien es, als hätte einer der Varinskis eine Vision gehabt, die in die umgekehrte Richtung zielte: Boris sollte Konstantine und seine Familie auslöschen - sonst wäre der Teufelspakt hinfällig.
Mist.
»Und was hat das mit der Insel zu tun?« Der Typ öffnete die mitgebrachte Tasche. Er warf seinen Begleitern jeweils eine kleine runde Metallscheibe zu.
»Onkel Iwan faselte irgendwas von einer Ikone, irgend so ein Heiligenbild, das wir unbedingt aufspüren sollen.« Der Junge fing einen der metallisch glänzenden Zünder auf und befestigte ihn an einer Säule. »Ich tippe mal darauf, dass die Ikone hier irgendwo versteckt ist. Der Einfachheit halber sprengen wir den gesamten Stollen in die Luft.«
Rurik, der angespannt lauschte, begriff, dass seine Killer-Cousins als Bombenlegerteam unterwegs waren.
Kein Wunder, dass es sie nicht kümmerte, ob sie belauscht wurden. Sie würden ohnehin alles in die Luft jagen und womöglich die Ikone vernichten, die einzige
Chance, das Leben seines Vaters zu retten. Grundgütiger, wo steckte Tasya? War sie inzwischen weit genug weg, um eine Explosion zu überleben?
»Du kennst Konstantine doch persönlich, oder, Kaspar?«, fragte der Junge.
»Klar kenn ich den.« Der Anführer nickte.
»Stimmt es, dass er der berühmteste und beste Boss war, den wir jemals hatten, und dass Boris Mordsskrupel vor ihm hatte?« Die drei Handlanger blickten gespannt zu Kaspar hinüber.
»Er war vielleicht nicht der Berühmteste, aber er war clever. Mit allen Wassern gewaschen. Wenn er kämpfte, gewann er - immer. Er hatte grandiose Strategien drauf, und als er am Ruder war, war der Varinski-Clan weltweit tonangebend.« Kaspar spuckte angewidert auf den Boden. »Nicht so wie jetzt.«
Das Team schwieg betreten.
Rurik wagte kaum zu atmen. Die Ikone … und Tasya. Würde er beides verlieren?
Der Junge sagte: »Boris muss schleunigst was unternehmen, sonst ist er geliefert.«
»Hast du das zufällig auch mit belauscht?«, zog Kaspar ihn auf.
»Boris ist zwar mein Vater, aber Vadim ist mein Bruder. Vadim hat meine Loyalität, und ich versichere euch, er wird der nächste Boss.« Der Junge reckte grinsend sein Gesicht in die Sonnenstrahlen, die zaghaft das Dunkel durchbrachen.
Rurik zuckte unwillkürlich zusammen.
Seine Lippen waren kräftig rot durchblutet, seine Gesichtsfarbe rosig gesund, seine Augen schmale, dunkle
Schlitze. Der Kerl sah aus wie geschminkt, aber den Gedanken verwarf Rurik gleich wieder. Der Junge war ein Naturfreak.
»Spinn hier nicht rum«, sagte Kaspar scharf. »Vadim ist noch zu jung.«
Der Junge schob mit einer schlängelnden Bewegung den Hals vor und zischte Kaspar an. Rurik schwante spontan, worin der Kleine sich verwandeln könnte … Seine Pupillen verengten sich zu winzigen schwarzen Punkten, seine jugendlich zarte Haut glänzte wie mit Lack überzogen, und die Fangzähne in seinem blutroten Mund waren lang wie die eines Vampirs … oder einer Klapperschlange.
Kaspar schnippte mit den Fingern. »Hör auf damit! Alek, wir haben jetzt keine Zeit für solchen Mist. Wir müssen hier fertigwerden, bevor jemand das Grab betritt.«
Alek stockte in seinen schlangengleichen Bewegungen.
»Wenn wir erwischt werden, stecken wir verdammt in der Scheiße«, setzte Kaspar hinzu.
»Okay, aber lass meinen Bruder aus dem Spiel, ich warn dich.« Alek widmete sich wieder dem silbrig glänzenden Zeitzünder.
Kaspar kehrte ihm den Rücken zu und wischte sich heimlich den Schweiß von der Stirn.
Rurik konnte es ihm nachfühlen. Die Varinskis verwandelten sich in Raubvögel, Wölfe oder Panter, aber niemals in Schlangen. Nichts, was am Boden kroch und mit Gift tötete. Was war geschehen? Wie hatte es zu dieser Transformation kommen können?
Als Alek sich aufrichtete, rief Kaspar: »Seid ihr fertig? Alle Zeitzünder eingestellt?« Als seine Begleiter zustimmend nickten, fuhr er fort: »Dann nichts wie weg hier.«
Die Varinskis stürmten blitzartig die Rampe hinauf, da sie die Wucht der Explosion kannten. Rurik glitt durch den Felsspalt in den Tunnel -
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