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In den Armen der Nacht

In den Armen der Nacht

Titel: In den Armen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.D. Robb
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kämpfe schon seit ein paar Tagen mit mir, weil ich Ihnen etwas sagen möchte und nicht weiß, wie ich das anstellen soll.«
    Summerset drückte ihm steif einen Schwenker in die Hand. »Mir ist bewusst, dass der Lieutenant und ich ein paar Schwierigkeiten miteinander hatten. Trotzdem –«
    »Himmel, nein, damit hat es nichts zu tun. Wenn ich jedes Mal zu Ihnen kommen würde, wenn Sie beide aneinanderrasseln, hätte ich hier längst schon eine Drehtür eingebaut.« Er starrte einen Moment auf seinen Brandy und kam zu dem Ergebnis, dass er während dieser Unterhaltung doch vielleicht besser saß.
    Er nahm sich einen Stuhl, schwenkte genau wie Summerset den Alkohol in seinem Glas, und die Stille zog sich endlos hin.
    »Tja, nun.« Es störte ihn, dass er sich räuspern musste. »Diese Morde. Dieses Kind – das heißt diese Kinder – sie haben mich an Dinge erinnert, an die ich lieber nicht erinnert worden wäre. Dinge, die ich sonst lieber verdränge. Meinen Vater und die ersten Jahre meines Lebens.«
    »Ich habe in den letzten Tagen selbst öfter an diese Zeit zurückgedacht.«
    »Sie denken dabei an Marlena.« An das junge, hübsche Mädchen, seine Tochter, die ermordet worden war. Vergewaltigt, gefoltert und ermordet. »Ich habe Nixie erklärt, dass der Schmerz allmählich nachlässt. So muss es wahrscheinlich sein. Aber er hört nie vollkommen auf, nicht wahr?«
    »Sollte er das denn?«
    »Ich habe keine Ahnung. Ich trauere immer noch um meine Mutter. Ich habe sie nicht einmal gekannt und trotzdem trauere ich immer noch um sie. Ich frage mich,
wie lange dieses kleine Mädchen wohl um seine Mutter trauern wird.«
    »Irgendwo in ihrem tiefsten Inneren wahrscheinlich bis an ihr Lebensende, aber sie wird trotzdem wieder auf die Beine kommen. Davon bin ich überzeugt.«
    »Sie hat mehr verloren, als ich selber jemals hatte. Das ist geradezu beschämend. Ich weiß nicht, wie … Sie haben mir das Leben gerettet«, platzte es mit einem Mal aus Roarke heraus. »Nein, sagen Sie nichts, bis ich fertig bin. Vielleicht hätte ich die Prügel, die er mir verpasst hat, bevor Sie mich gefunden haben, überlebt. Vielleicht hätte ich sie körperlich überstanden. Aber Sie haben mich an jenem Tag und in der Zeit danach gerettet. Sie haben mich bei sich aufgenommen und sich um mich gekümmert. Sie haben mir ein Heim gegeben, obwohl Sie das nicht hätten machen müssen. Niemand wollte mich, und dann … haben Sie sich meiner erbarmt. Wofür ich Ihnen unendlich dankbar bin.«
    »Falls du mir dafür jemals etwas schuldig gewesen wärst, hättest du diese Schuld bereits vor langer Zeit beglichen.« In diesem Augenblick hätte Summerset ihn nie und nimmer siezen können, denn er fühlte sich wie ein Vater im Gespräch mit seinem Sohn.
    »Sie wird nie beglichen sein. Wie gesagt, vielleicht hätte ich die Prügel und alles, was danach gekommen wäre, körperlich überstanden. Aber ich wäre nicht der Mann geworden, der ich heute bin, der Ihnen jetzt gegenübersitzt. Das, was ich Ihnen dafür schuldig bin, könnte ich nie bezahlen, aber darauf haben Sie es auch gar nicht abgesehen.«
    Summerset nippte vorsichtig an seinem Brandy. »Ohne dich wäre ich nach Marlenas Tod verloren gewesen. Dafür bin ich dir was schuldig, was ich nie bezahlen kann, aber das ist dir ebenfalls egal.«

    »Seit diese Sache angefangen hat, seit ich das Blut der Kinder gesehen habe, die ich nicht mal kannte, bin ich irgendwie bedrückt«, erklärte Roarke ihm ruhig. »Ich kann das Gefühl weit genug verdrängen, um zu tun, was ich tun muss, aber trotzdem ist es immer da. Und ich glaube, dass es wie die Trauer noch eine ganze Weile bleibt. Aber es ist auf jeden Fall schon besser.«
    Er trank seinen Brandy aus und stand wieder auf. »Gute Nacht.«
    »Gute Nacht.« Als er wieder alleine war, ging Summerset in sein Schlafzimmer hinüber, zog die Schublade des Nachttischs auf und nahm ein in einem anderen Leben aufgenommenes Foto in die Hand.
    Marlena – ein frisches, süßes Mädchen – blickte lächelnd in die Kamera, und Roarke – ein junger, zäher Bursche – hatte ihr mit einem kessen Grinsen einen Arm um die Schultern gelegt.
    Manche Kinder konnte man retten und behalten, dachte Summerset. Andere leider nicht.
     
    Sie kam spät genug nach Hause, um ernsthaft zu erwägen, sich einfach ins Bett zu legen und zu schlafen, ohne sich auch nur die Kleider auszuziehen. Ihr Nacken war verspannt, sie hatte das Gefühl, als bohre ihr jemand glühend heiße Nadeln in

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