In den Armen der Nacht
bisher aussieht, hätte keiner von den beiden überhaupt die Zeit für eine Affäre aufgebracht. Für Sex braucht man eindeutig Zeit.«
»Wenn er gut sein soll, auf jeden Fall.«
»Bisher habe ich in ihren Terminkalendern und in ihrem anderen Besitz nichts gefunden, was darauf hindeuten würde, dass einer von den beiden ein Verhältnis hatte.
Aber trotzdem gehe ich der Sache weiter nach. Die Befragung ihrer Nachbarn hat bisher nichts gebracht«, fügte sie im Anfahren hinzu. »Niemand hat irgendwas gesehen. Ich kann noch nicht mal sagen, ob einer von den beiden Tätern hier in der Nähe lebt, ob sie eine gefälschte Parkplakette hatten oder ob sie – Himmel – mit der verdammten U-Bahn oder mit einem Taxi gekommen sind. Ich hänge völlig in der Luft.«
»Eve, die Morde sind noch keine vierundzwanzig Stunden her.«
Sie blickte in den Rückspiegel, dachte an das ruhige Haus in der ruhigen Straße und seufzte leise auf. »Es fühlt sich aber schon viel länger an.«
Eve fand es unheimlich, dass Summerset, sobald sie durch die Haustür trat, wie ein immer wiederkehrender Albtraum im Foyer erschien, aber noch unheimlicher war es, dass ein kleines blondes Mädchen seine Hand umklammert hielt, als er an diesem Abend vor sie trat.
Nixies Haare glänzten und fielen ihr in weichen Locken ums Gesicht, als hätte jemand sie frisch gewaschen und gekämmt. Wer hatte das getan, überlegte Eve. Hatte sich die Kleine vielleicht selbst das Haar gewaschen oder hatte etwa Summerset etwas damit zu tun? Bei dem Gedanken bekam sie eine Gänsehaut.
Das Mädchen schien sich in der Nähe dieses Wesens jedoch durchaus wohl zu fühlen, sonst hielte es ihn sicher nicht freiwillig an der Hand.
»Ist es nicht schön, wenn man nach Hause kommt und so nett empfangen wird?« Roarke zog seinen Mantel aus. »Wie geht es dir, Nixie?«
Sie sah ihn aus ihren großen blauen Augen an und hätte beinahe gelächelt. »Ganz gut. Wie haben Apfelkuchen gebacken.«
»Ach ja?« Roarke bückte sich nach Galahad, der sich von Nixie löste und ihm um die Beine strich. »Ich liebe Apfelkuchen.«
»Sie können sich noch einen kleinen Kuchen aus den Resten machen. Das habe ich auch gemacht.« Dann lenkte sie den Blick aus ihren Kulleraugen wie einen blauen Laserstrahl auf Eve. »Haben Sie sie schon gefangen? «
»Nein.« Eve warf ihre Jacke über den Treppenpfosten, und zum ersten Mal enthielt sich Summerset eines bösen Kommentars. »Ermittlungen wie diese brauchen Zeit.«
»Warum? Im Fernsehen geht das immer schnell.«
»Das hier ist aber kein Film.« Sie wollte sich hinter ihren Schreibtisch setzen und dort fünf Minuten Pause machen, bevor es mit der Arbeit weiterging. Die blauen Augen aber starrten sie noch immer gleichermaßen vorwurfsvoll wie flehend an.
»Ich habe dir gesagt, dass ich sie fangen werde, und das werde ich auch tun.«
»Wann?«
Aus ihrer Kehle stieg ein Fluch, den sie vielleicht nicht mehr rechtzeitig hätte herunterschlucken können, hätte nicht Roarke eine Hand auf ihren Arm gelegt und das Mädchen gefragt: »Weißt du eigentlich, dass Lieutenant Dallas New Yorks beste Polizistin ist?«
Nixie sah ihn fragend an. »Warum?«
»Weil sie niemals aufgibt. Weil es ihr so wichtig ist, für die Menschen einzutreten, denen jemand anderes etwas getan hat, dass sie einfach nicht aufgeben kann. Wenn jemandem, der mir wichtig ist, etwas passieren würde, wollte ich auf alle Fälle, dass sie die Suche nach den Tätern übernimmt.«
»Baxter hat gesagt, sie tritt den bösen Menschen kräftig in den Arsch.«
»Tja.« Jetzt sah Roarke das Kind mit einem breiten Lächeln an. »Da hat er Recht.«
»Wo sind die beiden überhaupt? Baxter und Trueheart«, fragte Eve.
»In Ihrem Arbeitszimmer«, antwortete Summerset. »In einer Viertelstunde gibt es Abendessen. Nixie, deckst du mit mir den Tisch?«
»Eigentlich wollte ich –«
Roarke nahm ihre Hand und drückte sie. »Wir werden pünktlich wieder unten sein.«
»Ich habe zu tun«, setzte Eve an, als sie mit ihm nach oben ging. »Ich habe keine Zeit, um –«
»Die Zeit sollten wir uns nehmen. Eine Stunde bringt dich ganz bestimmt nicht um, und ich denke, dass die Kleine so viel Normalität braucht, wie sie hier bekommen kann. Dass man gemeinsam isst, gehört zur Normalität dazu.«
»Ich verstehe nicht, weshalb es normaler ist, beim Essen an einem großen Tisch im Esszimmer zu sitzen statt in meinem Büro. Wenn ich an meinem Schreibtisch sitze, kann ich zugleich arbeiten und
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