In den Armen des Eroberers
Honoria Prudence. Der Wink des Schicksals war in diesem Spiel nicht zu übersehen gewesen, und niemand konnte von Devil behaupten, er wäre schwer von Begriff. Seine Art, jede günstige Gelegenheit zu ergreifen, hatte ihm seinen Ruf eingebracht – und er hatte bereits beschlossen, Honoria Prudence festzuhalten.
Sie würde ihm eine großartige Frau sein.
Zunächst einmal war sie groß und hatte eine wohlproportionierte Figur, weder zu mager noch zu fleischig, sondern überaus weiblich. Ihr kastanienbraunes Haar wies einen satten Schimmer auf; störrische Locken stahlen sich aus dem Knoten auf ihrem Kopf. Ihr Gesicht, herzförmig, war besonders faszinierend, fein geschnitten und klassisch schön mit einer kleinen, geraden Nase, zierlich geschwungenen braunen Augenbrauen und einer hohen Stirn. Ihre Lippen waren voll, von zarter hellroter Farbe; ihre Augen, das Schönste an ihrem Gesicht, waren groß, neblig grau, weit auseinanderstehend und von langen Wimpern umgeben. Was er über ihr Kinn geäußert hatte, entsprach der Wahrheit – es erinnerte tatsächlich an ihren Großvater, nicht in der Form, wohl aber in der Entschlossenheit, die es vermuten ließ.
Sie war ausgesprochen ansehnlich, und es war ihr zweifellos gelungen, sein notorisch wankelmütiges Interesse zu fesseln.
Genauso wichtig war, daß sie ungewöhnlich vernünftig war und in keiner Weise zu Hysterie oder Ohnmachtsanfällen neigte. Das war ihm gleich zu Anfang klar geworden, als sie hoch aufgerichtet dastand und die Schimpfworte, die aus seinem Mund auf sie niederprasselten, an sich abprallen ließ. Dann hatte sie ihn nur mit einem Blick bedacht, den nicht einmal seine Mutter hätte übertreffen können, um ihn dann auf das vorliegende Problem hinzuweisen.
Ihr Mut hatte ihn beeindruckt. Statt kopflos weibliche Hilflosigkeit zu demonstrieren – das vorgeschriebene Verhalten für adlige Damen, die einen Verblutenden auf ihrem Weg fanden –, zeigte sie sich einfallsreich und tüchtig. Ihr Kampf gegen die Angst vor dem Unwetter war ihm nicht entgangen. Er hatte getan, was in seiner Macht stand, um sie abzulenken; ihre spontane Reaktion auf seine Anordnungen – er hatte beinahe gesehen, wie ihr kampflustig der Kamm schwoll – hatte es ihm leicht gemacht. Es hatte auch nicht geschadet, daß er sein Hemd auszog.
Seine Lippen zuckten, doch er versagte sich ein Lächeln. Da fand sich freilich ein weiterer Grund, warum er dem Wink des Schicksals Folge leisten sollte.
In den vergangenen siebzehn Jahren waren seine niederen Instinkte trotz aller Bemühungen zahlreicher Damen des ton voll und ganz seinem Willen unterworfen gewesen. Honoria Prudence stand jedoch offenbar in direkter Verbindung zu dem Teil seines Bewußtseins, der, eine Eigenart sämtlicher Cynsters, ständig Ausschau nach lohnenden Eroberungen hielt. Es war der Jäger in ihm; diese Aktivitäten hinderten ihn gewöhnlich nicht an der Ausführung vorrangiger Aufgaben. Nur wenn er bereit war, sich solchen Angelegenheiten zuzuwenden, ließ er zu, daß diese Seite seines Wesens zum Vorschein kam.
Heute aber war ihm sein wollüstiger Appetit mehr als einmal in die Quere gekommen.
Seine Frage nach ihren Unterhosen war nur ein Beispiel, und während er sie dadurch, daß er sein Hemd auszog, tatsächlich hatte ablenken können, hatte ihre Antwort nun wiederum ihn abgelenkt. Er hatte ihren Blick gespürt – eine weitere Empfindlichkeit, der er sich seit sehr langer Zeit nicht mehr ausgesetzt gesehen hatte. Mit zweiunddreißig Jahren, so glaubte er, müßte er immun, abgehärtet und zu erfahren sein, um seinen eigenen Gelüsten zum Opfer fallen zu können.
Blieb nur zu hoffen, daß diese Schwäche, sobald er Honoria Prudence ein paarmal genossen hatte, sich legen würde. Die Tatsache, daß sie die Enkelin, noch dazu die aufmüpfige Enkelin Magnus Anstruther-Wetherbys war, stellte sozusagen den Zuckerguß auf seiner Hochzeitstorte dar. Devil genoß diesen Gedanken.
Natürlich hatte er ihr seinen Namen nicht genannt. Sonst wäre sie gewiß nicht eingeschlafen, weder unruhig noch sonstwie. Gleich zu Anfang war ihm klar geworden, daß sie nicht wußte, wer er war. Ihn mußte sie nicht erkennen. Seinen Namen jedoch hätte sie ganz bestimmt gekannt.
Ansonsten hätte es ihn große Mühe gekostet, sie zu überzeugen, daß kein Grund zur Sorge bestand, und dazu hatte er im Augenblick weder Zeit noch Lust. Er mußte sich schließlich noch mit dem Mord an Tolly beschäftigen – da war es wichtig, daß sie
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