In den Armen des Eroberers
verletzt war – sie würde auf jeden Fall zu ihm gehen. Aber wenn Charles log? Sie versuchte, ihr Atmen und ihren rasenden Herzschlag zu beruhigen. »Wo? Wo ist er?«
»In dem Haus im Wald.«
Sie blinzelte. »Dort, wo Tolly gestorben ist?«
»So leid es mir tut, ja.« Charles sah sie ernst an. »Ein Unglücksort.«
Weiß Gott – aber die defekte Windmühle lag in der entgegengesetzten Richtung. »O Gott.« Bemüht, sich nichts anmerken zu lassen, rang Honoria die Hände, etwas, was sie sonst noch nie im Leben getan hatte. Da Devil und Vane nicht zur Stelle waren, mußte sie ihre Szene selbst erdichten. Zunächst einmal war eine Verzögerungstaktik angebracht. »Mir wird so schwach …«
Charles' Miene verdüsterte sich. »Dazu ist jetzt keine Zeit.« Als sie seitwärts taumelte und sich gegen die Stallmauer sinken ließ, wurde sein Gesicht noch finsterer. »Ich hätte dich nie für eine von den Frauen gehalten, die in Ohnmacht fallen.«
Leider hatte Honoria keine Ahnung, wie man es anstellte, in Ohnmacht zu fallen. »Was … was ist passiert? Was ist Devil zugestoßen?«
»Es wurde auf ihn geschossen.« Charles setzte eine Miene auf, die wohl Vetternliebe und – sorge ausdrücken sollte. »Wahrscheinlich versteckt sich dort im Wald irgendein Schuft, der was gegen die Familie hat.«
Der Schuft stand vor ihr; Honoria hatte Mühe, ihre Reaktion zu verbergen. »Wie schlimm ist er verletzt?«
»Schwer.« Charles griff nach ihr. »Du solltest dich beeilen – Gott allein weiß, wie lange er noch durchhält.«
Er ergriff sie am Ellbogen, und Honoria wehrte sich gegen den Drang, sich ihm zu entziehen. Dann spürte sie die Kraft seines Griffs und war nicht mehr sicher, ob sie sich ihm überhaupt würde entziehen können. Charles hob sie nahezu in die Höhe und drängte sie in den Stall. »Wir müssen uns beeilen. Welches ist dein Pferd?«
Honoria schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht reiten.«
Charles warf ihr einen scharfen Blick zu. »Was soll das heißen?«
Schwangere durften nicht reiten. Honoria blinzelte. »Ich habe Angst vor Pferden.« Soweit sie sich erinnerte, hatte Charles sie nie zu Pferde gesehen. »Und Devils Pferde sind unmöglich.« Es gelang ihr, ihm ihren Ellbogen zu entwinden. »Wir müssen einen Wagen nehmen.«
»Den Wagen!« Charles' Empörung war echt. »Dafür haben wir keine Zeit!«
»Aber … aber dann kann ich nicht mitkommen!« Honoria stand mitten in der Stallgasse und sah Charles ratlos an. Mitleiderregend. Charles kochte innerlich; sie rang die Hände.
Er knirschte mit den Zähnen. »Ach – was soll's?« Er stapfte aus dem Stall hinaus und ging zum Schuppen.
Honoria blieb im Hof zurück. Kaum war Charles im Schuppen verschwunden, begann sie zu suchen, schaute sich auf dem Hof um, spähte ins Dämmerlicht des gegenüberliegenden Stallgebäudes. Wo zum Kuckuck steckte Melton? Dann hörte sie das Rumpeln von Rädern. »Verdammt!«
Sie eilte zurück zu ihrem Ausgangspunkt. Ihre Rolle stand fest – sie mußte sich auf Charles' Plan einlassen, damit er sich selbst verriet. Angst zehrte an ihren Nerven und jagte ihr Schauer über den Rücken; sie straffte sich innerlich. Sie mußten Charles überführen – er war wie ein Damoklesschwert über ihren Köpfen, über Devils, ihrem und dem ihres ungeborenen Kindes. Aber wie sollte Devil sie retten, wenn er nicht wußte, wo sie war? In plötzlicher Schwäche ließ sie sich gegen die Stallwand sinken.
Und sah Melton im Schatten des Stalls gegenüber.
Honoria erstickte einen Freudenschrei und verbannte rasch alle Emotionen aus ihrem Gesicht, als Charles den Wagen aus dem Schuppen schob.
Er warf ihr einen bösen Blick zu. »Komm und halte die Deichselarme, während ich ein Pferd hole.«
Honoria gab sich den Anschein von Schwäche und gehorchte langsam. Charles ging in den Stall; Honoria warf einen Blick auf das gegenüberliegende Gebäude. Meltons Mütze war durch die offene Stalltür zu sehen; er drückte sich neben dem Eingang in den Schatten.
Dann kam Charles zurück, einen kräftigen Grauen am Zügel. »Halt die Deichselarme still.«
Honoria ließ sie einmal fallen, dann rempelte sie unbeholfen das Pferd an, und Charles mußte die gesamte Prozedur noch einmal durchführen. Er arbeitete hektisch und mit verbissener Miene, schnallte das Zaumzeug fest und war sich augenscheinlich der verstreichenden Zeit qualvoll bewußt. Honoria betete inständig, daß sie die Umstände richtig einschätzte und Devil sich nicht zu einem
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