In den Armen des Eroberers
in ihrer Nähe, aber gesehen hatte sie ihn nicht. Aber er mußte kommen – und Charles' Spielchen hatte sie lange genug mitgespielt. Charles verlangsamte seine Schritte; seine Miene verdüsterte sich noch mehr. Honoria holte tief Luft und straffte die Schultern. »Aber er ist nicht dort im Haus.«
Charles blieb abrupt stehen; sein Gesicht war ausdruckslos. Dann zog er die Brauen hoch und sah Honoria herablassend und überlegen an. »Du bist überreizt.« Er trat an den Wagen und griff nach ihrem Arm.
»Nein!« Honoria fuhr zurück. Charles' Miene veränderte sich schlagartig. Was sie in seinen Augen sah, veranlaßte sie, ihre Angst hinunterzuschlucken; jetzt durfte sie nicht den Kopf verlieren. »Wir wissen alles. Hast du geglaubt, wir würden es nicht merken? Wir wissen, daß du versucht hast, Devil umzubringen – wir wissen, daß du Tolly ermordet hast.«
Charles stutzte; vor ihren Augen glitt die zivilisierte Fassade Stück für Stück von ihm ab, und übrig blieb ein kalt berechnender Ausdruck ohne jegliches menschliches Gefühl. »Das Wissen«, sagte Charles mit unnatürlich ruhiger Stimme, »wird dich nicht retten.«
Das glaubte Honoria ihm – ihre einzige Hoffnung bestand darin, ihn am Reden zu halten, bis Devil eintraf. »Wir wissen, was mit Holthorpe, deinem Burschen, geschehen ist – und wir wissen Bescheid über die Seemänner, die du auf Devil angesetzt hattest, und über das Gift im Brandy.« Was wußten sie noch? Ihre Aufzählung würde Charles nicht lange hinhalten. Getrieben von Angst, neigte sie den Kopf und runzelte die Brauen. »Wir wissen alles, was du getan hast, aber wir wissen nicht, warum. Du hast Tolly ermordet, damit er Devil nicht vor deinen Mordplänen warnen konnte. Aber warum bist du so versessen auf seinen Titel?«
Verzweifelt versuchte sie, sich an alles zu erinnern, was sie jemals in bezug auf Charles empfunden hatte, an jeden intuitiven Einblick in seine Psyche. »Es geht dir nicht um Geld – du bist selbst reich genug. Du willst den Titel, aber für die Familie hast du nur Verachtung übrig. Warum willst du dann ihr Oberhaupt sein?« Sie hielt inne und hoffte, er würde aufrichtiges Interesse in ihrem Gesicht erkennen. »Welche tieferliegenden Gründe treiben dich dazu?«
Charles betrachtete sie mit ausdrucksloser Miene; Honoria spürte, wie sich ihr Herzschlag verlangsamte. Dann zog er nach typischer arroganter Cynster-Manier eine Augenbraue hoch. »Du bist sehr scharfsichtig, meine Liebe.« Er lächelte, wobei er kaum die Lippen verzog. »Und da du in Kürze sterben wirst, kann es wohl nicht schaden, wenn ich es dir sage.« Er blickte ihr direkt in die Augen. »Meine Name lautet zwar Cynster, aber ich war nie einer von ihnen – ich habe mich der Familie meiner Mutter immer viel näher gefühlt. Doch die sind inzwischen alle tot.«
Charles stützte sich mit einer Hand auf den Wagen und schaute mit loderndem Blick in den Wald. »Ich bin der letzte der Butterworths – der letzte einer unendlich überlegenen Sippe, was natürlich kein Cynster je zugeben würde.« Er verzog spöttisch den Mund. »Bald aber wird ihnen nichts anderes mehr übrigbleiben. Wenn ich die Zügel in die Hand nehme, werde ich die Familie von Grund auf umstrukturieren – nicht nur in bezug auf das mit unserem Namen verbundene Auftreten, nein, ich werde den Namen selbst ändern.« Er wandte sich wieder Honoria zu. »Nichts wird mich daran hindern.«
Honoria sah ihn mit vor Staunen offenem Mund an. Charles nickte lächelnd. »O ja – das läßt sich machen. Und so hätte es auch von Anfang an sein sollen: Die Butterworths waren dazu bestimmt, die Hauptlinie zu stellen, meine Mutter hätte die Herzogin sein sollen. Deswegen hat sie Arthur geheiratet.«
»Aber …« Honoria blinzelte. »Was ist mit …?«
»Sylvesters Vater?« Charles' Gesicht nahm einen beinahe weinerlichen Ausdruck an. »Mama hat nicht damit gerechnet, daß er heiratete. Als sie Arthur ehelichte, schien alles ganz klar zu sein – irgendwann würde Arthur erben, dann sein Sohn. Ich.« Sein Blick wurde leer. »Dann hat diese Schlampe Helena mit den Hüften gewackelt, und Onkel Sebastian fiel auf sie herein, und dann wurde Sylvester geboren. Doch selbst da wußte meine Mutter, daß alles gut werden würde. Nach Sylvesters Geburt konnte Helena keine Kinder mehr bekommen, was bedeutete, daß Vater und dann ich in der Erbfolge standen.« Charles fing Honorias Blick ein. »Willst du wissen, warum ich so lange gewartet habe? Warum ich
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