In den Armen des Feindes
sie noch mehr über die Freundlichkeit sagen konnte, die er ihr gegenüber gezeigt hatte, erinnerte sie sich an etwas Wichtigeres. "Er ritt mit anderen zusammen, die uns nun verfolgen könnten." Sie warf einen Blick über Malcolms Schulter und suchte in der wachsenden Dunkelheit nach Anzeichen von Gregorys rauen Gefolgsleuten. "Zu zweit auf einem Pferd können wir ihnen nicht entkommen."
In plötzlicher Furcht krampfte sich ihr der Magen zusammen. Hatte Malcolm wirklich all seine Männer fortgeschickt, die sie vor den Verfolgern schützen könnten?
"Ihr habt Recht." Er hob sie auf Gregorys Pferd. "Glücklicherweise haben wir nicht nur ein Pferd."
Heute würde es keine Hochzeit geben. Sie war auf dem Weg nach Hause.
Während Malcolm immer schneller ritt und das Seil sich weiter und weiter zusammenzog, wurde Rosalind klar, dass sie genau da war, wo sie angefangen hatte.
Schon wieder war sie eine Gefangene.
9. Kapitel
Allein mit Rosalind, wandte Malcolm sich um. Seitdem sie von ihm wieder eingefangen worden war, hatte er noch keine Gelegenheit gehabt, Beaumonts eigensinnige Herrin in Ruhe zu betrachten. Selbst im Licht des Mondes, der immer wieder von Wolken verdunkelt wurde, konnte er erkennen, wie erschöpft sie war. Sie saß zusammengesunken im Sattel und hielt sich nicht wie sonst kerzengerade. Und bevor die Dämmerung in Nacht übergegangen war, hatte er die Schatten unter ihren Augen gesehen, die wie dunkle Halbmonde auf der zarten Haut lagen. Kratzer zogen sich über beide Wangen hin. Ungewollt verspürte er bei all seinem Zorn auch Mitgefühl. Vielleicht hatte sie mehr mitgemacht, als er dachte.
"Wir werden dem Regen nicht entkommen, fürchte ich." Er rief ihr Pferd näher an sich heran, damit er nicht so zu schreien brauchte.
"Wenn Ihr mir die Zügel meines Pferdes überlassen würdet, wären wir ganz schnell zu Hause."
"Damit Ihr so schnell wie möglich zu Eurem verrückt gewordenen Knappen zurückreiten könnt? Nein. Ihr werdet ertragen müssen, nass zu werden."
"Wir werden nicht nur ein wenig nass werden. In solch einem Wolkenbruch können wir kaum unseren Ritt fortsetzen." Rosalind warf einen Blick zu den drohenden Wolken empor, die über sie hinwegzogen. Am Nachthimmel rumpelte es unheilvoll, und die Luft war schwer vom Geruch des kommenden Regens. Trotz Malcolms bewusst provozierenden Worten machte sie nicht den Versuch, Evandale zu verteidigen.
Es war eine kluge Entscheidung.
"Wir werden dem Sturm ausgesetzt sein."
"Und Ihr habt alle Männer eilig nach Beaumont zurückgeschickt. Anscheinend wünscht Ihr nicht, dass sie sich hier draußen den Tod holen."
"Ich wollte nicht, dass sie Euretwillen leiden müssen. Ihr jedoch seid eine Gefangene. Euer Wohlergehen ist nicht so wichtig." Trotz seiner Worte musste er daran denken, dass sie viel zu müde aussah, um noch weiter zu reiten. Zu erschöpft, um noch länger im Sattel zu sitzen. Es waren erst sechs Stunden seit ihrer Flucht vergangen, vielleicht acht. Doch für ihn war dieser Tag zu einer Ewigkeit geworden. Ob es für sie auch so schlimm gewesen war?
Es fiel ihm schwer, das zu glauben. Schließlich war sie aus eigenem Entschluss auf und davon.
"Was ist mit Eurem eigenen Wohlbefinden? Ihr werdet ebenfalls unter den Folgen zu leiden haben."
"Ich halte das für eine angemessene Strafe dafür, dass ich Euch nicht im Kerker behalten habe." Schließlich hatte er für ihre Bewachung die Verantwortung getragen. Doch ihre berauschenden Küsse, ihre weichen, weiblichen Formen, die sich an ihn geschmiegt hatten, hatten ihm den Kopf verdreht. Trotz allem wollte er nicht glauben, dass er nur von einem raffinierten Frauenzimmer überlistet worden war.
Ein lauter Donnerschlag ließ die Erde erbeben. Die Pferde stiegen und wieherten.
Malcolm verlor keine Zeit. Er drängte sein Pferd näher an Rosalinds Tier und hob sie zu sich herüber. Kaum hatte er sie vor sich in den Sattel gesetzt, da öffnete der Himmel seine Schleusen. Der Regen durchnässte sie mit der Kraft eines Wasserfalls.
Malcolm ritt schnell, um eine Jagdhütte zu erreichen, an der er zufällig vorbeigekommen war, als er Rosalind nach Baliwick verfolgte. Dabei hatte er sich die Lage des Unterstands gemerkt, falls er ihn einmal benötigen sollte. Und nachdem er jetzt ihre schlechte Verfassung erkannt hatte, wollte er nicht das Risiko eingehen, Rosalind den ganzen Weg nach Beaumont reiten zu lassen. Selbst für Ian, der ein Meister im Spurensuchen war, wäre es eine Herausforderung
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