In den Armen des Freibeuters: Erst wies sie ihn ab - doch dann entflammte seine Leidenschaft ihr Herz (German Edition)
Augen auf. »Ist dieser Mensch verrückt geworden?!«
Alberta zuckte mit den Schultern. »Geht wohl um die englischen Schiffe, die unser Junge angegriffen hat. Hat zwar nur Leute von Bord geholt, aber das hat schon gereicht. Mach dir keine Sorgen, Kindchen, das wird schon wieder.« Sie griff nach dem Päckchen, um Jessica abzulenken. »Lass mal sehen.« Sie entfernte das schützende Leder, und als sie auch das Seidenpapier auswickelte, kamen feine, bestickte Taschentücher zum Vorschein. Sowohl spitzenbesetzte, hauchdünne Tüchlein als auch etwas kräftigere für einen Mann. Alberta öffnete eines davon und studierte die Stickerei. J & J war in zarten Stichen und mit verschiedenen Farben darauf gestickt. Sie musste nicht lange grübeln, was diese Initialen bedeuteten. Zwischen den Tüchlein lag ein Brief. Alberta öffnete ihn und erkannte Vanessas Handschrift.
»Meine Liebe«, las sie laut vor, immer noch bestrebt, die sehr blasse Jessica abzulenken. So grimmig hatte sie deren junges, meist liebenswürdiges Gesicht noch nie gesehen. Die vollen Lippen waren zu einem Strich zusammengepresst, und ihre Augen waren schmal und auf einen Punkt an der Wand fixiert.
»Meine Liebe, ich habe schon vor Jahren begonnen, mein Hochzeitsgeschenk für euch zu sticken. (Du weißt, wie ungern ich sticke und wie lange ich dafür brauche!) Aber hier daheim liegen noch Handtücher für euch bereit. Und sogar Bettzeug mit euren Initialen. Komm bald zurück und bringe uns auch Jack heim. Ihr fehlt uns jetzt schon. Deine Freundin Vanessa.«
Jetzt endlich wandte Jessica den Kopf und sah fast eine Minute lang auf den Brief. Dann kam mit einem Mal Leben in sie. Sie riss Alberta das Päckchen mit den Taschentüchern aus der Hand und war schon zur Tür hinaus.
»Jessica!« Alberta war erschüttert. Das hatte sie nicht vorhergesehen, sonst hätte sie Wachen vor die Tür stellen lassen. Als Jessica in der Halle war und in den Hof stürmte, war Alberta mit fliegenden Röcken auch schon vor Martins Zimmer. Sie machte sich nicht die Mühe anzuklopfen, sondern platzte einfach hinein. Martin war gerade dabei, seine Hände zu waschen. Er hatte sich umgezogen, und ein blutiges Hemd lag auf dem Boden. Als plötzlich Alberta vor ihm stand, zog er die Augenbrauen zusammen.
»Jessica«, keuchte Alberta, »sie ist fort. Sicher zum Hafen.«
Jessica rannte die ganze Strecke. Jack hatte eine gute halbe Stunde Vorsprung, aber wenn sie sich beeilte, konnte sie die Tuesday noch erreichen, bevor sie den Hugli River hinuntersegelte. Es dauerte eine Weile, bis man ein Schiff aus dem vollbelegten Hafen hinausmanövrierte.
Jessica erreichte mit wild klopfendem Herzen, schweißgebadet, mit schmerzenden Lungen und unerträglichem Seitenstechen den Hafen. Sie stieß einige Männer zur Seite, die ihr den Blick auf die anliegenden Schiffe verdeckten. Einige Handelsschiffe, eine unbekannte Fregatte und eine Barke schaukelten nahe am Ufer im Hafen. Und dann fiel ihr Blick auf ein Schiff, das langsam und elegant aus dem Hafen und in den Fluss manövrierte. Es war die Tuesday .
»Jack!!« Natürlich konnte er sie nicht hören. Nicht aus dieser Entfernung und nicht bei alldem Lärm.
Sie rannte ein Stück das Ufer entlang, winkend und schreiend. Ein Mann stand hinten an der Reling, sah herüber, winkte zurück. Sie waren schon zu weit fort, um ihn noch erkennen zu können, aber der Kleidung nach musste es Jack sein. Warum zum Kuckuck wartete er nicht auf sie? Warum wurden noch weitere Segel gesetzt? Sie legte die Hände trichterförmig zusammen und holte tief Luft. »Jaaack!! Warte auf mich!«
Der Mann wandte sich von ihr ab. Verflixter Dickkopf! Sie zerknüllte die zarten Taschentücher in der Hand. Sie konnte sich schon denken, weshalb er ohne sie abfuhr. Um sie aus Schwierigkeiten rauszuhalten. Dabei täte er besser daran, sie mitzunehmen, andernfalls konnte sich der Generalgouverneur auf etwas gefasst machen.
Weitere Segel entfalteten sich. Jacks Männer liefen wie Ameisen die Wanten auf und ab. Die Tuesday war schon aus dem Hafen. Es war offensichtlich, dass er keine Absicht hatte, auf sie zu warten. Er wollte sie verlassen. Aber dieses Mal nicht! Was immer seine Gründe sein mochten.
Jessica sah sich verzweifelt um, knapp davor, hysterisch zu werden. Sie brüllte noch einmal seinen Namen. Keine Reaktion, obwohl er sich wieder umwandte und noch weitere Männer neben ihn traten und zu ihr herüberzeigten.
Dann musste sie ihn eben zwingen, auf sie zu warten.
Sie
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