In den Armen des Highlanders
dass er so in sich gekehrt war ... Jetzt verstand sie wenigstens, warum er niemals lächelte. Wie könnte irgendjemand heitere Gefühle empfinden, wenn er eine so furchtbare Tragödie mit angesehen hatte?
Und in diesem Moment wünschte sie sich nichts sehnlicher, als seine Seele zu berühren und zu heilen.
»Hast du Ravenswood aus diesem Grunde verlassen, Beatrix?«
»Nein, ich wollte hier bleiben und für Lord Draven sorgen. Aber sein Vater hat mich weggeschickt. Er war der Meinung, der Junge sei lange genug von albernen Frauen verhätschelt worden und müsse endlich zum Mann heranreifen.«
Nach allem, was Emily gehört hatte, konnte sie sich die Folgen dieses Entschlusses ohne Schwierigkeiten ausmalen. »Warum bist du jetzt zurückgekehrt?«
Zögernd starrte Beatrix ins Kaminfeuer und schien zu überlegen, was sie sagen sollte. »Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, Mylady. Erst habe ich mich geweigert, Denys’ Wunsch zu erfüllen und die Stelle einer Haushälterin in diesem Schloss anzunehmen. Nur zu lebhaft konnte ich mich noch daran erinnern, was für ein Mann der verstorbene Earl gewesen war. Und ich hatte Angst, sein Sohn hätte sich zu einem ähnlichen Ungeheuer entwickelt. Doch dann glaubte ich, die Stimme Ihrer Ladyschaft zu hören, die mich anflehte, mich um Lord Draven zu kümmern.« Sie wandte sich Emily zu und begegnete ihrem Blick. »Darum hatte sie mich fast jede Nacht gebeten, wenn ich in ihr Zimmer gekommen war, um ihr bei der Abendtoilette zu helfen. >Beatrix<, sagte sie, >wenn mir etwas zustößt, musst du dich um meine Söhne kümmern. <« Zitternd rang sie nach Atem, und Emily sah Tränen in ihren Augen glänzen. »Lady Katherine war eine Heilige - so gut und freundlich wie die Madonna. Ihr zuliebe ließ ich mich von Denys zur Rückkehr nach Ravenswood überreden.«
Auch Emily kämpfte mit den Tränen und räusperte sich. »Ich bin sehr froh, dass du hier bist, Beatrix.«
Wortlos nickte die Haushälterin und entschuldigte sich dann.
Emily setzte sich an den Toilettentisch. Sie musste erst einmal verkraften, was Beatrix ihr erzählt hatte.
»O Draven«, wisperte sie schweren Herzens. Wie musste er seinen Vater gehasst haben!
Und was hatte seine Mutter getan, um die Mordlust ihres Ehemanns heraufzubeschwören?
Simon, dachte Emily plötzlich.
In seinen Adern floss kein Ravenswood-Blut... Hatte Harold von der illegitimen Herkunft des Jungen erfahren und daraufhin beschlossen, seine treulose Gemahlin zu töten?
Unter gesenkten Lidern ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Tränen für den Jungen, der miterlebt hatte, was kein Kind jemals hätte sehen müssen, und Tränen für den Mann, zu dem er herangewachsen war, der sich der Liebe verweigerte ...
Über zwei Wochen lang bemühte sich Emily, allein mit Draven zu sprechen. Doch er behandelte sie wie eine Aussätzige, die obendrein mit dem Veitstanz gestraft war. Schließlich kam sie zu der Erkenntnis, dass jeder weitere Versuch, ein Gespräch unter vier Augen herbeizuführen, zwecklos war. Er nahm nicht einmal mehr s eine Mahl zeiten in der Halle ein. Entweder zog er sich in sein Zimmer zurück und versperrte die Tür, oder er ritt aus und kam stundenlang nicht nach Hause.
Womit er sich befasste, wusste sie nicht. Und falls Simon eingeweiht war, verriet er ihr kein Sterbenswörtchen. Doch zumindest tat er sein Bestes, um sie zu unterhalten.
»Warum strenge ich mich überhaupt noch an?«, fragte sie sich eines Tages, als sie in der Halle frühstückte.
An den anderen Tischen saßen einige Ritter, jedoch nicht nahe genug, um Emilys Stimme zu hören. Wohin Simon an diesem Morgen verschwunden war, wusste sie nicht. Sie hatte Alys erlaubt, länger zu schlafen, denn die Zofe war letzte Nacht sehr lange aufgeblieben, um irgendetwas zu erledigen, was sie ihrer Herrin nicht verraten wollte. Und so, wie sie Alys kannte, hielt sie es auch für besser, keine Einzelheiten zu erfahren.
Seufzend brach Emily ein Stück von ihrem Brot ab.
Polternde Schritte weckten ihre Neugier, und sie sah, wie eine ihrer Truhen von zwei Dienstboten die Treppe heruntergeschleppt wurde.
Verblüfft stand sie auf und folgte ihnen in den Hof, wo sie das Gepäckstück auf einen Wagen hievten.
»Was geht hier vor?«, fragte sie einen der Diener.
»Seid Ihr denn nicht reisefertig?«
Erschrocken zuckte sie zusammen, als Dravens Donnerstimme hinter ihr ertönte. Sie drehte sich um und sah ihn am Fuß der Eingangstreppe stehen.
»Wo kommt Ihr denn her,
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