In den Armen des Highlanders
anderem widmete sie einen Gedanken, einzig und allein die reglose Gestalt im Gras zählte.
Entsetzt kniete sie neben ihm nieder.
»Draven?«, wisperte sie. Vorsichtig nahm sie ihm den Helm ab und berührte seine kalte, von Bartstoppeln bedeckte Wange. Eisiges Entsetzen erfüllte ihr Herz. Nein, er konnte nicht tot sein. Nicht ihr Held. Nicht auf diese Weise.
»Draven?«, schrie sie.
Da öffnete er die Augen und schaute sie an. Vor lauter Erleichterung begann sie zu schluchzen.
»Runter mit Euch, Lady«, befahl er. Doch seine Stimme hatte ihren Donnerhall verloren. Heiße Tränen strömten über ihr Gesicht, als sie die drei Armbrustbolzen aus seinem Körper ragen sah. Und das Blut, so viel Blut ...
In dem Augenblick tauchte Simon hinter ihr auf, ergriff ihren Arm und zerrte sie auf die Beine. »Geht weg von ihm, Lady!«, stieß er wütend hervor, »lauft tiefer in den Wald!«
Sein ungerechtfertigter Zorn verwirrte Emily. »Aber er braucht Hilfe.«
»Nicht von Euch, Lady.«
Wie gelähmt stand sie da und beobachtete, wie er sich bückte und einen Arm um die Schultern seines Bruders legte. Draven stöhnte vor Schmerzen. Nur mühsam stand er mit Simons Hilfe auf.
Erst jetzt merkte Emily, dass keine Pfeile mehr aus der Luft herabfielen. »Bringen wir ihn in die Festung meines Vaters zurück.«
Wütend wandte sich Simon zu ihr, wilden Hass in seinen Augen. »Warum? Damit er die Tat vollendet?«
Emily blinzelte verblüfft. »Glaubt Ihr allen Ernstes, mein Vater hätte etwas damit zu tun?«
»Allerdings, denn ich habe die Farben dieser Schurken gesehen - Warwicks Farben.«
»Nein«, keuchte Draven, »ihr Vater war es nicht.«
»Was? Bist du verrückt?«, fauchte Simon, während er ihm zum Wagen half. »Wer sollte es denn sonst gewesen sein?«
»Keine Ahnung.« Kraftlos taumelte Draven in den Armen seines Bruders. »Jedenfalls würde Illingworth keine Armbrustschützen auf mich hetzen, die seine kostbare Tochter treffen könnten. Niemals würde er ein solches Risiko eingehen.«
»Woher weißt du das?«
»Ich weiß es eben«, flüsterte Draven. »Bring mich nach Hause.«
»Aber der Weg zur Burg meines Vaters ist viel kürzer«, gab Emily zu bedenken und lief den beiden nach.
Trotz seiner Schmerzen erwiderte Draven ihren Blick ruhig und gefasst. »Ein verwundeter Habicht würde sich auch nicht in einen Fuchsbau legen.«
Als sie den Wagen erreichten, ließ Simon seinen Bruder los. Während er Emilys Truhe beiseite schob, stützte sich Draven mit sein em unverletzten Arm auf das Wa gendeck.
»Hebt die Truhe herunter, Simon.«
»Aber Euer Gepäck, Lady ...«
»Lasst es hier«, befahl Emily.
Da nickte er und gehorchte. Als die Holzfläche leer war, half er Draven, hi naufzusteigen und sich hinzule gen. Emily öffnete inzwischen ihre Truhe und nahm ihre Schmuckschatulle und eine leichte, safrangelbe Tunika heraus.
Dann kletterte sie zu Draven auf den Wagen und be gann ihr Gewand zu zerreißen.
»Was macht Ihr da?«, fragte Draven tonlos.
»Verbandszeug für Euch.«
»Euer Kleid ...«
»Pst«, unterbrach sie ihn und legte einen Finger auf seine Lippen. »Spart Eure Kräfte.«
Ruckartig rollte das Gefährt an, und sie überlegte, ob sie die Bolzen aus Dravens Wunden ziehen sollte. Doch sie besann sich anders. Erstens würde sie ihn auf dem schaukelnden Karren womöglich noch schwerer verletzen. Und zweitens fürchtete sie, die Blutung könnte dadurch noch stärker werden. Deshalb begnügte sie sich damit, Stoffstreifen auf die Wunden zu pressen und die Blutung einzudämmen.
Immer wieder schaute sie in Dravens Gesicht, mit jeder Minute wirkte er bleicher. Behutsam wischte sie Blut von seiner Wange, und die Zärtlichkeit in seinem Blick nahm ihr den Atem.
»Wie behutsam Ihr seid, Lady ...«, flüsterte er.
Wehmütig lächelte sie und erinnerte sich an das erste Mal, wo er solche Worte ausgesprochen hatte. Damals hatte sie die Wunde genäht, die ihm von seinem Ritter Geoffrey bei einer Waffenübung zugefügt worden war.
Und dann tat er etwas völlig Unerwartetes. Er griff nach ihrer Hand, legte sie auf seine Brust, direkt über seinem Herzen, und schloss die Augen.
Was sie am meisten überraschte, wusste sie nicht. Dass er endlich seine Hand nach ihr ausgestreckt hatte oder dass er ihr genug vertraute, um die Augen zu schließen, während sie neben ihm saß. So kleine Gesten, bei jedem anderen Mann wären sie kaum aufgefallen. Doch bei Draven bedeuteten sie sehr viel, und das blieb ihr nicht
Weitere Kostenlose Bücher