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In den Armen des Meeres

In den Armen des Meeres

Titel: In den Armen des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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unerträglicher Langsamkeit. Sie wurden auf den Karren gezerrt, wieder gefesselt und erhielten etwas zu essen und zu trinken. Der Größere der Europäer saß vorn auf dem Karren und trieb den Esel an, während der Stämmigere hinten bei den Frauen saß, ein Gewehr in der Hand hielt und sie unerbittlich anstarrte. Als Elysse den Fehler beging, ihm in die Augen zu sehen, grinste er sie lüstern an.
    Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie größere Angst empfunden und sich unbehaglicher gefühlt. Die Sonne schien unerträglich heiß vom Himmel, und Elysse fühlte den Sonnenbrand auf ihren Wangen und ihrer Nase. Lorraine war bereits schrecklich verbrannt. Ihr Bewacher starrte sie weiterhin an, und Elysse wusste nur zu genau, was er dachte. Sie begann sich Sorgen wegen einer möglichen Vergewaltigung zu machen. Wie sollten Lorraine und sie im wilden Teil Westafrikas überleben, bis ein Lösegeld gezahlt wurde oder sie gerettet waren?
    Ihr Traum, dass Alexi sie finden würde, war purer Unsinn. Alexi musste inzwischen am Kap der Guten Hoffnung sein. Weitaus wahrscheinlicher war es, dass ihr Vater oder ihr Bruder zu ihrer Rettung kommen würden. Aber immer wieder dachte sie an jene Nacht auf Errol Castle, an die sie sich erinnerte, als wäre es gestern gewesen.
    Du bist nicht verloren. Ich würde dich niemals im Stich lassen ...
    Ganz plötzlich hörte Elysse etwas anderes als nur das Klipp-Klapp der Eselhufe und das Quietschen der Wagenräder. Sie strengte sich an und hörte etwas, das wie das Schreien von Kindern klang. Sie richtete sich auf, drehte sich um und sah geradeaus. Auf beiden Seiten des Weges standen strohgedeckte Hütten.
    »Zivilisation«, flüsterte sie und fragte sich, ob sie jetzt wohl ihr Ziel erreicht hätten. Während sie sprach, wurde dieses afrikanischen Dorfes sichtbar, das offenbar vor allem aus offenen Hütten bestand, die auf hölzernen Pfosten errichtet waren. Ein paar kleine Kinder spielten mit einer Holzkugel und Stöcken auf dem Weg, und sie sah mehrere Frauen, die nur halb bekleidet waren und mit nacktem Oberkörper umhergingen. Zwei Frauen mit großen Körben auf dem Rücken blieben stehen, um ihnen nachzusehen.
    Lorraine umklammerte Elysses Arm. Der Weg hatte eine Biegung gemacht, und vor ihnen lag nun ein großer Hafen, in dem Schiffe aller Größe und Art lagen. In der Ferne konnte Elysse mehrere Gebäude erkennen, die im Sonnenlicht glitzerten und offenbar aus Stein gebaut waren. Die beiden Frauen sahen einander besorgt an. Wo immer sie auch sein mochten, wenigstens würden sie wohl bald aus der Sonne kommen. Elysse blickte wieder zum Hafen und fand, dass dieser eine hoffnungsvolle Aussicht bot.
    Die Entfernungen aber täuschten, und der Esel trottete noch eine weitere Stunde vor sich hin, ehe sie die Docks erkennen konnten und all die vertraute Aktivität. Dinghis, Kutter und Kanus, ähnlich jenen, mit denen sie schon gefahren waren, wurden be- und entladen, Karren transportierten Waren von einem Dock zum nächsten und zu den Speicherhäusern. Auf den Werften entdeckten sie weitere Europäer. Wieder sahen die Frauen einander an. Irgendjemand würde ihnen doch sicher helfen, ihren Bewachern zu entkommen?
    Der Karren verließ den Hafen und rollte aufs Dorf zu. Sie kamen an einer Art Straßencafé vorbei. Dabei konnte Elysse einen Blick in eine offene Hütte werfen, in der Afrikaner mit Goldketten mit wenig vertrauenerweckenden Europäern zusammensaßen und Pfeifen rauchten. Dann erschrak sie.
    »Ist das ein Gefängnis?«, fragte Lorraine atemlos.
    Sie kamen an einem strohgedeckten Gebäude vorbei, das aus Holz gebaut war. Aber anders als die Hütten, an denen sie vorher vorübergefahren waren, bestanden die Wände hier aus hölzernen Gittern. Offensichtlich war dies eine Art Gefängniszelle, so groß wie ein Salon in Mayfair. Darin sah Elysse Dutzende afrikanischer Männer und Frauen, die so eng zusammengepfercht waren, dass sie sich unmöglich bewegen konnten. Das Entsetzen machte sie sprachlos. Sie begriff, dass sie hier afrikanische Gefangene sah, die für den Sklavenmarkt bestimmt waren.
    Es dauerte einen Moment, ehe sie etwas sagen konnte. »Diese Afrikaner werden nach Brasilien gebracht, nach Westindien und möglicherweise auch in die amerikanischen Kolonien, Lorraine. Als Sklaven.«
    Lorraine stockte der Atem. »Aber der Sklavenhandel ist illegal.«
    »Er ist im British Empire illegal, aber an vielen anderen Orten nicht.« Sie ballte die Fäuste. »Ich hoffe, dass unsere Marine die

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